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Bank muss Kunden vor Finanzierung überteuerter Wohnung warnen

 

Eine Bank muss einen Kreditkunden vor dem Kauf einer überteuerten Wohnung warnen, wenn sie weiß, dass der Kaufpreis den Verkehrswert um das Doppelte übersteigt. Dies hat der Bundesgerichtshof bekräftigt (Urt. v. 29.04.2008 – XI ZR 221/07 -).

 

Dem Kunden war von einem Vermittler zu „Steuersparzwecken“ eine Eigentumswohnung (Baujahr 1952) angedient worden. Über Eigenkapital verfügte er nicht. Der Vermittler vermittelte daraufhin einen Kredit bei der verklagten Bank mit einer Tilgungsrate von 3 % p. a..

 

Der Kaufpreis im Jahre 1993 betrug rund 130.000,00 DM. Der tatsächliche Verkehrswert lag bei 63.500,00 DM.

 

Die Eigentumswohnung erwies sich als nicht-vermietbare Schrottimmobilie. Das Darlehen wurde notleidend. Die Bank stellte den Restkredit in Höhe von rund 50.000,00 € daraufhin sofort fällig und betrieb zunächst die Zwangsversteigerung der finanzierten Eigentumswohnung. Hieraus erzielte sie einen Erlös in Höhe von rund 24.500,00 €. Wegen des Restbetrages betrieb sie die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen ihres vormaligen Kunden.

 

Dieser setzte sich mit der Begründung zur Wehr, die Bank hafte ihm ihrerseits auf Schadensersatz. Sie habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn über das wirtschaftliche Risiko des kreditfinanzierten Eigentumserwerbs aufzuklären.

 

Im Ergebnis gab der Bundesgerichtshof dem Bankkunden recht. Grundsätzlich ist es zwar nicht Sache der Bank, den Kunden über steuersparende Bauherren-, Bauträger- oder Erwerbermodelle aufzuklären. Die Bank kann regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse selbst verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklärungs- und Hinweispflichten bzgl. des finanzierten Geschäfts können sich für die Bank daher nur aus besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls ergeben – etwa dann wenn die Bank einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Kunden hat und es treuwidrig wäre, den Kunden im Dunkeln stehen zu lassen. Gerade dies sei hier aber der Fall. Die Bank schulde Aufklärung wegen eines konkreten Wissensvorsprunges, wenn ihr bekannt sei, dass der Kaufpreis den Verkehrswert um das Doppelte übersteigt und sie daher von einer sittenwidrigen Übervorteilung ihres Kunden als Käufer ausgehen muss. Die Bankmitarbeiter dürften vor einer derartigen sittenwidrigen Schädigung ihres eigenen Kunden nicht bewusst die Augen verschließen. Als überregional tätige Bank sei die verklagte Bank mit den Markt- und Preisverhältnissen auf den Immobilienmärkten vertraut gewesen. Sie habe aufgrund des Anlage-Prospektes Alter, schlechte Lage und Ausstattung der Wohnung gekannt. Allein der ungewöhnlich hohe Tilgungssatz von 3 % p.a. spreche dafür, dass sich die Bank wegen der völlig unzureichenden Werthaltigkeit der Immobilie hinsichtlich des Kreditausfallrisikos selbst habe schützen wollen. Angesichts einer solchen Ausgangslage schulde die Bank ausnahmsweise die Aufklärung des Bankkunden über das Risiko des finanzierten Kaufes der Wohnung. Die Bank hätte den Kunden hier warnen müssen. Dass sie dies nicht getan hat, stellt sich als Pflichtverletzung dar. Die Bank schuldet dem Kunden daher Schadensersatz. Im Wege der Schadensersatzes war der Kunde so zu stellen, als hätte er den Darlehensvertrag nie geschlossen. Die Bank musste die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen ihres vormaligen Kunden einstellen.

 

Münster, 22.01.2009

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht