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Wer bürgt, der würgt!? – sittenwidrige Ehegattenbürgschaft

Wer ein Geschäft eröffnen will oder sich anderweitig selbständig machen will, wird die bittere Erfahrung machen, dass Banken bei der Kreditvergabe maßvoll Zurückhaltung üben. In der Regel sind sie nur dann bereit, einen Kredit zu gewähren, wenn der Ehegatte oder der Lebensgefährte eine Mithaftung - sprich: Bürgschaft -übernimmt.

Der Volksmund weiß: „Wer bürgt, der würgt!“. Dem Bürgen ist das Ausmaß der Mithaftung oft nicht klar. Läuft das Geschäft nicht, hält sich die Bank bei dem Bürgen schadlos. Dieser läuft in die volle Haftung ohne sich auf eine vorrangige Haftung des eigentlichen Geschäftsinhabers berufen zu können. Dies ist um so bitterer, wenn die Ehe oder die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischenzeitlich gescheitert ist.

Der Bundesgerichtshof hält diese Vergabepraxis der Banken jedoch dann für sittenwidrig, wenn eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen vorliegt und die Bank dies wusste. Dann ist der Bürgschaftsvertrag unwirksam. Der Bürge ist aus seiner Haftung zu entlassen. Von einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen geht die Rechtsprechung aus, wenn der Bürge nicht einmal die Zinslast alleine tragen kann. In diesem Fall wird vermutet, dass der dem Hauptschuldner persönlich besonders nahe stehende Bürge die ihn finanziell überlastende Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt hat. Nutzt die Bank diese seelische Zwangslage aus, so hält dies die Rechtsprechung für sittlich anstößig.

Ursprünglich ist diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allein auf Ehegatten zugeschnitten gewesen. Mittlerweile ist sie auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Verlobte und Familienangehörige ausgeweitet worden.

Die Banken waren über diese Entwicklung nicht glücklich. Aus ihrer Sicht konterkarierte die Rechtsprechung den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Diese beinhaltet das Recht, sich so hoch zu verschulden, wie man will. Die Banken ließen deshalb den Partner des Darlehennehmers nicht mehr bürgen, sondern als gleichrangigen Darlehensnehmer den Kreditvertrag mit unterschreiben. Der Mitdarlehensnehmer hat i.d.R. ein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme. Deshalb griff die Rechtsprechung zu der sittenwidrigen Ehegattenbürgschaft nicht.

Auch diesem Geschäftsgebaren der Banken hat die Rechtsprechung mittlerweile einen Riegel vorgeschoben. Die Verhandlungsstärke zwischen Bank und Kreditnehmer ist ungleichgewichtig verteilt. Die Kreditbedingungen werden von der Bank vorformuliert und vordiktiert. Die Gerichte halten daher nicht starr an dem Vertragstext fest. Vielmehr prüfen sie im Einzelfall, ob es sich bei dem „formalen“ Mitdarlehensnehmer nicht in Wahrheit um einen verkappten Bürgen handelt. Entscheidend ist, ob der Mithaftende ein eigenes persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat. Liegt dies nicht vor, greift der Gedanke der Sittenwidrigkeit.

Münster, 21.06.2010

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht