Wirtschafts- und Verbraucherrecht
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Schufa mit der Lizenz zur Intransparenz

Einen Kredit bekommt nur, wer kreditwürdig ist. Über die Kreditwürdigkeit entscheiden Banken bei Verbraucherraten- und Kleinkrediten aufgrund standardisierter Risikoklassifizierungen (sog. Scoring). Dementsprechende Auskünfte beziehen die Kreditinstitute von privaten Wirtschaftsauskunfteien – wie etwa der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung).

Nach eigenen Angaben erteilt die Schufa pro Jahr ca. 680.000 Auskünfte an Banken, Online-Händler und andere Unternehmen über die Bonität von Verbrauchern. Dabei kann sie auf einen Bestand von 682 Mio. Datensätzen über 66 Mio. Verbraucher, welche sie von Kooperationspartnern (Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen etc.) bezieht, zurückgreifen. 1927 gegründet, gehört die Schufa zu fast 87 % Banken und Sparkassen.

Wie die Schufa diese Scorewerte zur Bewertung der Bonität eines Verbrauchers ermittelt und gewichtet, ist und bleibt deren Geheimnis. Zwar verpflichtet das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die Wirtschaftsauskunfteien dazu, dem Verbraucher Auskunft darüber zu geben, welche Daten über ihn gespeichert sind. Dies gilt auch ausdrücklich für „das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte“, welche „einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form mitzuteilen sind“ (§ 34 Abs. 4 BDSG) – also auch und gerade für das Scoring.

Dies – so urteilte der Bundesgerichtshof am 28.01.2014 (VI ZR 156/13) – verpflichte die Schufa jedoch nicht dazu, zu verraten, wie sie die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern im Einzelnen berechnet. Der Verbraucher könne nicht verlangen, dass die Wirtschaftsauskunftei offen lege, wie sie die einzelnen Merkmale, aus denen der Scorewert ermittelt wird, gewichte. Erst Recht könne der Verbraucher nicht verlangen, die herangezogenen Vergleichsgruppen zu benennen. Diese Einzelheiten seien ein Geschäftsgeheimnis, welches die Schufa hüten dürfte und nicht lüften müsse.

Dies kann für den Verbraucher im Einzelfall bittere Konsequenzen haben. So gerät z. B. jemand, der berufsbedingt häufig umzieht, möglicherweise in dieselbe Kreditwürdigkeitsgruppe wie „Mietnomaden“.

Indem der Bundesgerichtshof die Berechnungen der Scorewerte zum Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Schufa erhoben hat, hat er dem Unternehmen die Lizenz zur Intransparenz gegeben. Der betroffene Verbraucher hat es nicht in der Hand, Einfluss auf seine Kreditwürdigkeit zu nehmen. Er weiß schlichtweg nicht, ob er etwa im „falschen Viertel“ wohnt oder zu häufig umgezogen ist, um von der Schufa das Siegel der Bonität zu erhalten.

Wehren kann sich der Verbraucher freilich gegen unwahre Tatsachenbehauptungen und falsche Eintragungen. Insoweit steht ihm ein Unterlassungsanspruch gegenüber der Schufa zu. Eine Selbstauskunft kann Gewissheit darüber verschaffen, ob die bei der Schufa gespeicherten Daten veraltet oder falsch sind.

Münster, 19.03.2014

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht