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PROKON-Pleite: Hinten in der Gläubiger-Schlange anstehen oder vorne weg marschieren?

Die Zukunft der Windkraftfirma Prokon ist nach wie vor ungewiss. Nachdem Insolvenzantrag gestellt wurde und bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter (Dr. Dietmar Prenzlin) vom Insolvenzgericht eingeschaltet wurde, bringen sich erste Interessenten in Stellung: Konkurrierende Windkraftbetreiber zeigen Interesse an einem Kauf von Prokon-Anlagen; Hedge-Fonds bekunden Interesse an dem Ankauf von Prokon-Genußscheinen. Was aber soll der Prokon-Anleger tun? Was bedeutet ein Insolvenzverfahren?

Windhund-Prinzip in der Einzelzwangsvollstreckung – Topf-Prinzip im Insolvenzverfahren

Wer eine titulierte Forderung gegen einen Schuldner hat, kann aus dieser vollstrecken. In der „normalen“ Zwangsvollstreckung gilt das Windhund-Prinzip: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Bei Firmenpleiten will der Gesetzgeber nicht, dass dieses Windhund-Prinzip zum Tragen kommt. Vielmehr sollen im Grundsatz alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden (Topf-Prinzip). Auf diese Weise soll vermieden werden, dass gerade erst aufgrund des Windhundprinzips in der Zwangsvollstreckung solide Firmen überhaupt in die Pleite getrieben werden. Dies wäre volkswirtschaftlich unsinnig.

Insolvenzgläubiger, nachrangige Insolvenzgläubiger und vorrangige Befriedigung

Dass in einem Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden, stimmt jedoch nur bei einer oberflächlichen Betrachtungsweise. Wer durch Grundpfandrechte oder sonstige dingliche Rechte abgesichert ist – dies gilt insbesondere für Banken – wird vorneweg aus der Insolvenzmasse befriedigt. Für den normalen Insolvenzgläubiger bleibt dann zur Verteilung aus der Insolvenzmasse nur das, was nach der Vorwegbefriedigung übrig geblieben ist.

Noch schlechter ist die Stellung von sogenannten nachrangigen Insolvenzgläubigern (§ 39 InsO). Hierzu zählen unter anderem Gläubiger aus Gesellschafterdarlehen oder „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“. Genußscheine zählen viele Juristen zu solchen nachrangigen Insolvenzgläubigerforderungen.

Die Prokon hat überwiegend die Errichtung ihrer Windparks nicht aus Bankdarlehen finanziert, sondern aus Genußscheinbeteiligungen ihrer Anleger. Im Klartext: Die Anleger der Prokon waren die „Hausbank“ der Prokon. Eine Genussscheinbeteiligung räumt dem Anleger – im Gegensatz zu Aktienbeteiligungen – jedoch keinerlei Mitgliedschaftsrechte ein.

Beteiligung auf dem grau-grünen Markt

Die Prokon-Genußscheine wurden auf dem grau-grünen Markt gehandelt. Grau deshalb, weil die Beteiligung über Genußscheine weitestgehend der Finanzaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) entzogen ist. Weil die staatliche Finanzaufsicht nicht greift, gibt es auch keine gesetzlichen Sicherungssysteme für den Forderungsausfall. Der Prokon-Anleger hat von vorne herein das Risiko des Totalausfalls getragen.

Als Gläubiger von Genußrechten stehen die gemeinen Prokon-Anleger ganz hinten in der Schlange der Gläubiger. Sie müssen sich mit dem begnügen, was vorrangige Gläubiger (etwa Banken) und „normale Insolvenzgläubiger“ (Lieferanten, Werkunternehmen, etc.) übrig gelassen haben.

Was tun? Kündigung und Zahlungsverlangen?

Sollen die Anleger nun ihre Genußberechtigung kündigen und Zahlung verlangen? Dies wird den Anlegern kaum weiterhelfen. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens dürfen auf Seiten der Prokon ohnehin keine Auszahlungen an die Anleger erfolgen. Nach Insolvenzeröffnung müssten die Anleger, welche gleichwohl ihr Geld noch zurückerhalten haben sollten, mit einer Anfechtungsklage durch den Insolvenzverwalter rechnen. Dessen Aufgabe ist es, im Interesse aller Gläubiger die Insolvenzmasse zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zusammenzuhalten.

Gleichwohl gibt es Möglichkeiten, sich vom Ende der Schlange der Gläubiger „ein wenig nach vorne zu drängeln“.

Handelt es sich nämlich bei den Forderungen der Anleger nicht um reine Zahlungsforderungen aus der Genussrechtsbeteiligung, sondern etwa um Ansprüche aus Schadensersatzforderungen, würden die Anleger nicht mehr als nachrangige Insolvenzgläubiger behandelt.

Da die Prokon nicht nur Genußscheine ausgegeben hat, sondern auch Fonds-Beteiligungen angeboten hat und die Emmissionsbedingungen der Genußrechtsbeteiligung sich je nach Emmissionswelle stark unterscheiden, ist jeder Einzelfall gesondert zu prüfen.

Geschädigte Anleger sind daher gut beraten, einen Anwalt des Vertrauens zu konsultieren und die Sach- und Rechtslage eingehend prüfen zu lassen.

Münster, 29.01.2014

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht