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Beratungspflichten einer Bank beim Vertrieb von Zertifikaten (Lehman Brothers)

Der Kundeberater einer Bank darf eine bestimmte zukünftige Entwicklung eines Wertpapiers nicht als nahezu sicher hinstellen, wenn die weitere Entwicklung des Wertpapiers tatsächlich offen ist. Verletzt der Bankberater diese Pflicht zur objektgerechten Beratung des Kunden, darf dieser sein Geld gegen Übergabe des Zertifikates zurückverlangen (LG Frankfurt a. M. Urt. v. 07.04.2009 - 2-19 O 211/08 -).

Der klagende Kunde wandte sich Ende 2006 an seine Bank. Diese diente ihm das Alpha-Expresszertifikat der Lehman Brothers Treasury Co.B.V. an. Mit diesem Zertifikat wird auf das Verhältnis des Index "Euro Stoxx“" zu dem DAX-Index spekuliert. An drei sog. Beobachtungstagen (Februar 2008, Februar 2009 und Februar 2010) sowie einem abschließenden Bewertungstag im Februar 2011 sollte das Verhältnis der Wertentwicklung der Indizes geprüft werden. Für den Fall, dass der „Euro Stoxx“ sich besser als der DAX entwickeln würde, sollte das Zertifikat vorzeitig ausgezahlt werden - und zwar wie folgt: am ersten Beobachtungstag mit mindestens 10% Gewinn, am zweiten Beobachtungstag mit mindestens 20% Gewinn und am dritten Beobachtungstag mit mindestens 30% Gewinn. Sollte sich der DAX besser entwickeln als der „Euro Stoxx“, so sollte die Laufzeit des Vertrages am abschließenden Bewertungstag im Februar 2011 enden.

Der Kunde sagte dem Bankberater, er wünsche eine "kurzfristige" Anlage. Dies wurde im Beratungsprotokoll auch so festgehalten. Der Bankberater erklärte dem Kunden, die Anlage beinhalte "lediglich ein geringes Risiko". Es sei "nahezu gesichert", dass das Zertifikat bereits am ersten Beobachtungstag im Februar 2008 zur Gewinnausschüttung käme. Hierauf verließ sich der Kunde und erwarb Zertifikate mit einem Volumen von 50.000,00 €.

Im Februar 2008 kam es dann am ersten Beobachtungstag nicht zur vorzeitigen Auszahlung des Zertifikates. Mit der Klage verfolgte der Kunde das Ziel, seine 50.000,00 € zurückzuerhalten.

Das Landgericht Frankfurt sprach dem Kunden einen Rückzahlungsanspruch zu.

Der Bankberater habe eine objektgerechte Beratung geschuldet. Die Pflicht zur objektgerechten Beratung habe der Bankberater verletzt, indem er es als "nahezu sicher" hingestellt hat, dass das Zertifikat bereits am ersten Beobachtungstag zur Gewinnausschüttung führe. Für diese Behauptung gab es keinerlei objektive Anhaltspunkte. Die Entwicklung des Zertifikates, also die Entwicklung der ihm zu Grunde liegenden Indizes war ungewiss. Der Bankberater habe zumindest offenlegen müssen, dass es sich um seine persönliche Einschätzung handele, wenn er die Gewinnausschüttung am ersten Beobachtungstag als nahezu sicher hinstellt.

Darüber hinaus habe es sich objektiv auch nicht um eine "kurzfristige" Anlage gehandelt, welche der Kunde gewünscht habe. Es war zumindest nicht auszuschließen, dass die Gewinnausschüttung nicht am ersten Beobachtungstag erfolgt sondern erst vier Jahre später - am "abschließenden Bewertungstag". Eine vierjährige Anlage kann nicht mehr als kurzfristige Anlage bezeichnet werden. Hätte der Kunde hierum gewusst, hätte er das Zertifikat nicht erworben.

Die Bank muss dem Kunden die eingezahlten 50.000,00 € zurückerstatten.

Münster, 29.09.2009

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht