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Versicherungsrecht
Uniwagnis: Die Datenbank der Versicherungswirtschaft - Orwell lässt grüßen

 

Uniwagnis - so lautet der Name der vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) unterhaltenen Datenbank zur unternehmensübergreifenden Risikoüberprüfung. Für Daten- und Verbraucherschützer kein wohlklingender Name. Schon lange bemängeln sie die Undurchsichtigkeit und die Missbrauchsgefahren des Systems. Gerechtfertigt, um eine eingehende Risikoüberprüfung und eine fundierte Prämienkalkulation vornehmen zu können, urteilt die Versicherungswirtschaft.

 

Datenschutzrechtlich handelt es sich bei Unwagnis nicht um eine Auskunftei wie etwa der Schufa. Vielmehr wird der GdV als eine Art "Datenmakler" für die beteiligten Versicherungsunternehmen tätig. Diese "Datenmakelei" ist den Regelungen des Datenschutzgesetzes nur sehr eingeschränkt unterworfen und funktioniert so: Das einzelne Versicherungsunternehmen vergibt für bestimmte Ereignisse (Versicherungsantrag, Schadensfall, Krankheitsfälle etc.) dem einzelnen Versicherten zuzuordnende Punkte. Überschreitet der Versicherte eine gewisse Punktzahl, werden seine Personalien dem GdV übermittelt. Der GdV kodiert die Daten phonetisch und sammelt sie. Die phonetische Kodierung führt dazu, dass etwa ein Versicherter mit dem Namen Maier mit allen denkmöglichen Schreibweisen (Meyer, Mayer etc.) erfasst wird. Die Kodierung ist nicht rückübersetzbar. Deshalb - so die Versicherungswirtschaft - handele es sich bei Unwagnis auch nicht um eine dem Datenschutzrecht unterliegende, zentrale Warndatei. Mehr als 8,5 Mio. Hinweise sind mittlerweile in Uniwagnis gespeichert. Wechselt Herr Maier die Versicherung, kann der neue Versicherer über Uniwagnis abfragen, ob über Herrn Maier/Meyer/Mayer etc. Daten vorhanden sind. Bei einem Treffer teilt der GdV dem anfragenden Versicherer den Namen des meldenden Versicherers mit. Die Sachbearbeiter der beteiligten Versicherungen haben es dann in der Hand, telefonisch abzugleichen, ob es sich um ein und denselben Versicherten handelt.

 

Prof. Dr. Hoeren hält das Datensystem "Uniwagnis" für datenschutzrechtlich unbedenklich. In seinem, im Auftrag des GdV erstatteten Rechtsgutachten (VersR 2005, 1014) kommt er zu dem Ergebnis, dass der GdV keine geschäftsmäßige Datenspeicherung betreibe. Der GdV übe lediglich eine Hilfsfunktion für die angeschlossenen Versicherer aus. Der eigentliche Datenaustausch finde zwischen den Sachbearbeitern der Versicherer statt. Die Rechtmäßigkeit der Datensammlung Uniwagnis werde hiervon nicht berührt. Es handele sich um ein "ausgewogenes System zur Risikominimierung", welches den "behutsamen Umgang mit den personenbezogenen Daten der Versicherten" gewährleiste.

 

Ganz anders fällt das Urteil des Berliner Versicherungsexperten Prof. Dr. Schwintowski aus (VuR 2004, 242). Er meint, die Datenweitergabeklauseln in den Versicherungsverträgen benachteiligten den Kunden unangemessen und seien daher unwirksam. Über die Tragweite seiner Einwilligung sei sich der Versicherte allein schon wegen der Unverständlichkeit der Klausel und des von der Versicherungswirtschaft verwendeten Merkblattes zum Datenschutz nicht im Klaren. Er könne und müsse auch nicht damit rechnen, dass sensible persönliche Daten - insbesondere Gesundheitsdaten im Kranken- und Lebensversicherungsbereich - an dritte Versicherer weitergegeben werden. Aber auch die Weitergabe weniger sensibler Daten wie etwa die Schadenshäufigkeit wirke sich für den Verbraucher verheerend aus. Ein Verbraucher, der mehrere Schäden oder einen Autodiebstahl melde, falle oft in die Kategorie "risikoreich" und erhalte keinen neuen oder nur noch sehr teuren Versicherungsschutz. Die unternehmensübergreifende Kategorisierung der Versicherten in "gute" und "schlechte" Risiken sei auch wettbewerbsverzerrend. Ein derartiges Marktinformationsverfahren beschränke den Wettbewerb um die Versicherungskunden.

 

Uniwagnis arbeitet geräuschlos. Der Versicherte bekommt es kaum mit, wenn die Versicherungen untereinander Daten austauschen. Lehnt ein Versicherer einen Versicherungsantrag ab, wird er dies in der Regel nicht mit dem Datenabgleich über Uniwagnis begründen. Der Verbraucher gibt sich häufig mit dem Ablehnungsschreiben - ohne Angaben von Gründen - zufrieden. Dies mag erklären, warum so wenige Verbraucher bislang Auskunft von ihrem Versicherer über die von ihnen gespeicherten Daten verlangt haben.

 

Münster, 17.10.2006

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt