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EuGH stärkt Rechte der Gaskunden – BGH kippt Preisänderungsklausel - Preiserhöhungen ohne Rechtsgrundlage?

Der stetige Anstieg der Gaspreise ist ein stetes Ärgernis für die Kunden. Ob und inwieweit sich Sondervertragskunden gegen Gaspreiserhöhungen zur Wehr setzen können, damit hatte sich zunächst der EuGH in einem von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geführten Musterprozess zu beschäftigen (EuGH Urt. v. 21.03.2013 – C – 92/11 -), dann der BGH (Urt. v. 31.07.2013 - VIII ZR 162/09 -).

Nach den gesetzlichen Vorgaben im Tarifkundenbereich muss der Gasversorger seine Preiserhöhungen öffentlich bekannt geben und den Kunden schriftlich über die Preiserhöhungen informieren. Anlass, Voraussetzung oder Umfang solcher Änderungen lassen sich den gesetzlichen Vorgaben nicht entnehmen.

Den gesetzlichen Vorgaben im Tarifkundenbereich nachgebildete Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen sind für den Endkunden gefährlich. Bei Vertragsabschluss kann er nicht abschätzen, welche Preissteigerungen auf ihn zukommen. Grundsätzlich steht die Rechtsprechung in anderen Branchen vertraglichen Preisänderungsklauseln verhalten gegenüber und erklärt sie häufig für unwirksam. Ein einseitiges Preiserhöhungsrecht des Unternehmers ohne tatbestandliche Begrenzung droht das Vertragsgleichgewicht zwischen den Parteien zu zerstören.

Die Energiewirtschaft ist jedoch vom Gesetzgeber privilegiert worden. Deshalb legte der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob die gesetzlichen Vorgaben der Gaspreiserhöhung mit dem Europarecht vereinbar sind.

Grundsätzlich erkennt der Europäische Gerichtshof das berechtigte Interesse des Versorgers daran an, Preissteigerungen an seine Endkunden weitergeben zu können. Allerdings betont er auch die Verbraucherrechte. Dem Endkunden müsse bei Vertragsabschluss bewusst sein, welche Preissteigerungen auf ihn zukommen. Dieser Blick in die Zukunft muss ihm aufgrund klarer und verständlicher Kriterien für eine Preiserhöhung durch das Unternehmen möglich gemacht werden. Darüber hinaus betont der EuGH, dass dem Verbraucher auch die Möglichkeit eingeräumt werden muss, bei einer Preiserhöhung den Vertrag beenden zu können. Dieses Kündigungsrecht – so der EuGH – muss dem Verbraucher nicht nur formal eingeräumt werden, sondern muss auch tatsächlich wahrgenommen werden können. Deshalb fordert der EuGH, dass der Endkunde bei der schriftlichen Mitteilung über die Preiserhöhung auch auf sein Kündigungsrecht aufmerksam gemacht werden muss.

Diesen Vorgaben des Gerichtes genügen eine Vielzahl der von Gasversorgern verwandten Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen nicht. Dies hat der BGH unlängst in einem Urteil vom 31.07.2013 (VIII ZR 162/09) klargestellt. Anlass und Modus der Preisänderung muss der Versorger dem Verbraucher klar und deutlich vor Augen führen. Von der dem Verbraucher zustehenden Kündigungsmöglichkeit muss der Verbraucher so klar und verständlich unterrichtet werden, dass er von der Kündigungsmöglichkeit auch tatsächlich Gebrauch machen kann.

Eine Prüfung der eigenen Vertragsbeziehung zu dem Versorger kann sich lohnen. Im günstigsten Fall kann der Kunde rückwirkend für drei Jahre die ohne Rechtsgrund gezahlten Preiserhöhungen zurückverlangen.

Ist die vertraglich vereinbarte Preiserhöhungsklausel unwirksam, kann der Endkunde rückwirkend die zuviel gezahlten Entgelte zurückverlangen.

Münster, 01.08.2013

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht