Wirtschafts- und Verbraucherrecht
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Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Vorstände von Aktiengesellschaften

Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Geregelt ist das in § 1 S. 3 des 6. Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat sich in den letzten Jahren mehrfach mit den sehr eng gefassten formalen Voraussetzungen für diese Beitragsbefreiung befassen müssen und zwar in aller Regel für kleine Aktiengesellschaften, die häufig gegründet werden, um eigenes Vermögen zu verwalten. Der zuletzt entschiedene Fall das BSG datiert vom 05.03.2014 (B 12 KR 1/12). Der eigentliche Fall betrifft eine rechtliche Übergangsregelung, die nur bis zum 31.12.2004 gültig war. Ein verbeamteter Fachhochschullehrer, der zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ernannt worden war, hätte auf Dauer rentenversicherungsfrei bleiben können, wenn bis zu diesem Datum eine ordnungsgemäße Bestellung als Vorstandsmitglied erfolgt gewesen wäre. Das BSG hat dies mit der Begründung abgelehnt, das Vorstandsmitglied sei zwar bestellt, aber bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Handelsregister eingetragen worden.

Im Aktienrecht gilt allerdings, dass die Eintragung eines Vorstandsmitglieds der AG in das Handelsregister für dessen Bestellung sogar eine geringere rechtliche Bedeutung hat, als die Eintragung der Gesellschaft selbst. Das BSG hat also im Grunde für die Frage der Sozialversicherungspflicht strengere Maßstäbe angelegt, als dies aktienrechtlich erforderlich ist.

Ähnlich restriktiv hat das BSG in früheren Entscheidungen zur Rentenversicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern geurteilt, so u. a. in einem Fall der Vorgesellschaft. Die Mitgliedschaft im Vorstand der Vor-Aktiengesellschaft reiche nicht aus, obwohl die Vorgesellschaft im Aktienrecht bereits vollwertiger Träger von Rechten und Pflichten ist. Das Gericht meint, die an den praktischen Bedürfnissen des Aktienrechts orientierten Wertungen könnten in das Sozialversicherungsrecht nicht uneingeschränkt übernommen werden. In diesen Fällen komme die Befreiung eines Vorstandsmitglieds erst in Betracht, wenn die AG in das Handelsregister tatsächlich eingetragen sei. Auch hier folgt also das Sozialversicherungsrecht nicht dem Aktienrecht.

In diversen einschlägigen Entscheidungen zum Aktienrecht wird u. a. auch die Frage erörtert, ob die Gründung der AG nicht als Umgehungsgeschäft angesehen werden könne/müsse, weil diese nur zu dem Zweck gegründet worden sei, die ansonsten bestehende Rentenversicherungspflicht des Vorstandsmitglieds zu umgehen. Dieser Gedanke stellt sich allerdings nur bei kleinen Aktiengesellschaften.

Münster, 07.11.2014

Bernd Meisterernst, Rechtsanwalt und Notar a.D.
Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht