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Ärger mit der Bundeswehr?

Landwirtschaftliche Familienbetriebe sind auf die Mitarbeit der Familienangehörigen angewiesen. Da kommt die Einberufung des Hofnachfolgers zur Bundeswehr oder zum Zivildienst häufig mehr als ungelegen. Auch wird es vielfach als ungerecht empfunden, dass gerade der eigene Sohn zum Wehr- oder Zivildienst herangezogen wird, während zehntausende Angehörige des gleichen Jahrganges verschont werden. Dem steht an sich das Gebot der Wehrpflichtgerechtigkeit entgegen. Danach darf die Heranziehung der Wehrpflichtigen nur nach sachlichen Gründen differenziert werden. Dass es mit der Wehrgerechtigkeit nicht allzu weit her ist, hat inzwischen auch die Rechtsprechung erkannt. Das Verwaltungsgericht Köln erklärte durch Beschluss vom 23.12.2003 AZ: 8 L 3008/03 die Einberufung eines Wehrpflichtigen für rechtswidrig, da die Einberufungspraxis der Bundeswehr mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Wehrgerechtigkeit nicht mehr vereinbar sei. Durch die Absenkung der Altersgrenze auf 23 Jahre werde auf die Heranziehung von 70.000 Wehrpflichtigen verzichtet, durch die Nichteinberufung von T-3-gemusterten Wehrpflichtigen auf weitere 20.000 Wehrpflichtige. Besondere sachliche Gründe seien dafür nicht ersichtlich. Deshalb stelle sich die Einberufung des „Rests“ letztlich als willkürlich und damit rechtswidrig dar. Einberufungsbescheide sind aus Sicht des Verwaltungsgerichts Köln „daher offensichtlich rechtswidrig“.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln ist für die Bundeswehr nicht anfechtbar. Es handelt sich um eine Entscheidung in einem Eilverfahren. Bis die Sache in einem Hauptsacheverfahren entgültig geklärt ist, können Jahre vergehen. Faktisch gibt es bis dahin in Köln keine Wehrpflicht mehr.

Die Aussagen des Verwaltungsgerichtes gelten im Übrigen selbstverständlich auf für Zivildienstpflichtige. Da nach den politischen Vorgaben die Zahl der Zivildienststellen die der einberufenen Wehrpflichtigen nicht übersteigen soll, wird auch hier der Kreis der Zivildienstpflichtigen steigen, die ihren Dienst niemals antreten müssen.

Natürlich eröffnet der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln auch Wehr- und Zivildienstpflichtigen im gesamten Bundesgebiet die Aussicht hier einer ungerechtfertigten Dienstpflicht zu entgehen. Es ist zu vermuten, dass der Bundeswehr nicht daran gelegen ist, dass das Beispiel des Verwaltungsgerichts Köln „Schule macht“, also ähnliche – nicht anfechtbare – Entscheidungen noch von anderen Verwaltungsgerichten erge-hen. Damit dürfte es im Vorfeld der Einberufung für die Betroffenen erweiterte Möglichkeiten geben, dem Dienst zu entgehen. Es lohnt sich also, die tatsächlichen und recht-lichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit sich der Hofnachfolger mit voller Kraft dem elterlichen Betrieb widmen kann.

Münster, 01.03.2004

Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht