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Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Urteilen vom 03.04.2014 (Az. u. a. - B 5 RE 13/14 R -) entschieden, dass Syndikusanwälte, die als Anwälte Mitglied eines anwaltlichen Versorgungswerks sind, nicht (mehr) von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können. Obwohl diese Entscheidungen zu Befreiungsanträgen von Syndikusanwälten ergangen sind, folgt daraus in Zukunft, dass alle Anwälte, die nicht bei einem anwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt sind, keine Chance mehr haben, nach § 6 Abs. 1 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können, sondern nur noch Anwälte, die bei ausschließlich anwaltlichen Arbeitgebern beschäftigt sind. Jedenfalls ist das im Augenblick die vorherrschende Interpretation dieser Urteile.

Welche Folgen das für Arbeitgeber und angestellte Anwälte haben wird, lässt sich zurzeit noch nicht überblicken, insbesondere nicht im Hinblick auf den vom BSG ausdrücklich angeforderten Vertrauensschutz für Altfälle. Dieser Vertrauensschutz muss noch von den Rentenversicherungsträgern durch entsprechende Dienstanweisungen, die bisher nicht vorliegen, umgesetzt werden.

Für die nichtanwaltlichen Arbeitgeber stellt sich primär die Frage, ob sie ab sofort verpflichtet sind, für Ihre Angestellten anwaltlichen Mitarbeiter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen und ob dies möglicherweise auch für die Vergangenheit geschehen muss. Bekanntlich schuldet der Arbeitgeber alleine den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Käme es zu Nachzahlungen, müsste er auch den Arbeitnehmerbeitrag erbringen. Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt immerhin vier Jahre. Da können erhebliche Summen auf dem Spiel stehen.

Bisher hatten die Arbeitgeber für ihre von der gesetzlichen Beitragspflicht befreiten Anwälte Zuschüsse zu deren Beitrag an das Versorgungswerk entrichtet (§ 172 a SGB VI). Können die Arbeitgeber diesen Zuschuss sofort einstellen? Was wird mit den Zuschüssen, die in der Vergangenheit gezahlt worden sind und die regelmäßig die Hälfte der an das Versorgungswerk zu zahlenden monatlichen Beitragssumme ausgemacht hat? Das sind nur einige Fragen, die alsbald auf die Arbeitgeberseite zukommen werden.

Für die (Syndikus) Anwälte, die in der Vergangenheit von der gesetzlichen Beitragspflicht befreit waren, stellt sich zunächst die Frage, ob sie doppelt beitragspflichtig sind, nämlich zum Versorgungswerk und zur GRV. Wird es hier einen Vertrauensschutz geben etwa in Fällen, wo der anwaltliche Arbeitnehmer sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter befindet und seine gesamte finanzielle Rentenplanung auf den Beiträgen zum Versorgungswerk aufgebaut hat? Was passiert mit Anwälten, die trotz zukünftiger Beitragszahlung an die GRV bestimmte Leistungen gar nicht mehr erreichen können, z.B. eine Rente wegen Erwerbsminderung, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (mindestens 36 Pflichtbeiträge in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Erwerbsminderung) nicht mehr erfüllt werden können?

Alle diese Fragen sind bisher gänzlich ungeklärt. Wichtig ist die rechtzeitige Einholung von Informationen zu diesen Problemen.

Münster, 02.10.2014

Bernd Meisterernst, Rechtsanwalt und Notar a.D.
Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht