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LSG NRW kippt starre Wohnungsgröße für Sozialhilfeempfänger

Menschen, die im Alter auf Sozialhilfeleistungen (SGB XII) angewiesen sind, können in Zukunft darauf hoffen, in ihren Wohnungen zu bleiben ohne verringerte Leitungen zu erhalten.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die angemessene Größe eines selbst genutzten Hausgrundstücks mit einem Grenzwert von 130 qm für einen Vier-Personen-Haushalt zu bestimmen. Für jede weitere Person erhöht sich der Grenzwert um 20 qm. Für jede Peron weniger verringert er sich um 20 qm. Ist eine Wohnung nur von einer Person bewohnt, so ist der Grenzwert typisierend auf 90 qm festzusetzen.

Im vorliegenden Fall wohnte eine Rentnerin aus Münster mit ihrem Sohn in einer 119 qm großen Wohnung, sodass der Wohnraum, auch mit einem zulässigen Überschreitungsaufschlag von 10%, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unangemessen war.

Das LSG Essen entschied nun in seinem Urteil vom 05.05.2014 (Az.: L 20 SO 58/13) jedoch, in einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren, dass bei der Bemessung der Grenzwerte die Siedlungsstruktur berücksichtigt werden müsse. In typischen Vorstadtsiedlungen der 70er Jahre finden sich keine Einfamilienhäuser mit einer Fläche von 90 qm. Dies bedeute jedoch, dass der Schutz der Wohnung durch § 90 Abs. 2 S.2 Nr. 8 SGB XII letztlich im ländlichen Bereich bzw. in der Vorstadt leerlaufen würde, wenn die Wohnung bzw. das Haus nur von einer oder zwei Personen bewohnt werden. Ein effektiver Schutz wäre somit nur im Innenstadtbereich geboten, wo die Wohnungen typischerweise kleiner sind. Da somit viele alte Menschen in ihrer typischen Lebenssituation schutzlos gestellt wären, brach das LSG in seiner Entscheidung mit den starren Grenzwerten des BSG. Die Revision wurde zugelassen.

Praktisch ergibt sich aus dem Urteil für Menschen, die im Alter auf Sozialhilfe angewiesen sind und alleine oder zu zweit in einem bisher „zu großen“ Eigenheim leben, dass sie ihre Leistungsbescheide unbedingt überprüfen lassen sollten. Die Chance ist hoch, dass die Leistungen aufgrund der unrechtmäßigen Anrechnung des Wohnraumes zu gering sind. Hierdurch können sich nicht nur höhere Zahlungen für die Zukunft, sondern auch nicht unbeträchtliche Nachzahlungen für die Vergangenheit ergeben.

Münster, 17.06.2014

Johann Strauß, Rechtsanwalt