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Die Bewohnerin eines Pflegeheimes muss Geschenke nicht zurückfordern

Mit Urteil vom 14.10.2008 (Az. 16 A 1409/07) hat der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW entschieden, dass die Bewohnerin eines Pflegeheimes ihre Tochter, die von ihr ein größeres Geschenk erhalten hatte, nicht auf Rückgabe des Geschenks in Anspruch nehmen muss, bevor Pflegewohngeld aus öffentlichen Mitteln gewährt wird.

Die pflegebedürftige Klägerin wohnt seit Jahren in einem Pflegewohnheim. Die Tochter wurde als Betreuerin bestellt und kümmert sich um sie. Bevor die Klägerin das Pflegeheim bezog, erhielt die Tochter das elterliche Hausgrundstück in vorweggenommener Erbfolge. Für die Mutter wurde ein lebenslanges Wohnrecht eingetragen. Die Übertragung erfolgte vor ca. acht Jahren. Die Mutter verzichtete auf das Wohnrecht, als feststand, dass sie das Pflegeheim nicht mehr verlassen wird. Daraufhin verkaufte die Tochter das elterliche Hausgrundstück. Die Klägerin war nicht in der Lage, die Kosten des Heimaufenthaltes in voller Höhe zu begleichen. Aus diesem Grund beantragte sie Pflegewohngeld. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen mit dem Argument, die Mutter müsse zuerst ihre Tochter auf Zahlung von rund 27.000,00 € verklagen. Die Mutter habe auf das Wohnrecht verzichtet. Dieser Verzicht sei ein Geschenk, das sie zuerst zurückfordern müsse. Das Wohnrecht sei ca. 27.000,00 € wert.

Sowohl das Verwaltungsgericht in erster Instanz als auch das Oberverwaltungsgericht NRW in zweiter Instanz hielten die Klage der Heimbewohnerin für begründet. Ein pflegebedürftiger Heimbewohner müsse einen Beschenkten nicht auf Rückgabe des Geschenks verklagen, wenn ihm eine Klage nicht zuzumuten ist. Eine derartige unzumutbare Härte sei gegeben, wenn der Beschenkte dem Heimbewohner besonders nahe steht. Da der Bewohner eines Pflegewohnheims in aller Regel nur noch wenige soziale Kontakte außerhalb des Heims unterhält, sei er meist auf Besuche von seinen Angehörigen oder engen Freunden angewiesen. Nicht selten werden in diesem Zusammenhang dann auch größere Geschenke gemacht. Sei der Heimbewohner sodann verpflichtet, diese Menschen zu verklagen, um das Geschenk zurückzuerhalten und es zur Bezahlung der Heimkosten einzusetzen, bestünde die Gefahr, dass der Heimbewohner und der Beschenkte sich entzweien. Unter der Vereinsamung hätte vor allem der Pflegebedürftige zu leiden, was das Landespflegegesetz aber gerade verhindern will.

Münster, 24.11.2008

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht