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Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs des Hilfebedürftigen kann eine unbillige Härte darstellen

Die Verweisung eines Hilfebedürftigen auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruches gegenüber seiner Mutter kann eine unbillige Härte darstellen.

Dies hat jetzt das Sozialgericht Münster mit Urteil vom 14.11.2007 (Az.: S 3 AS 85/05) entschieden. Der Kläger - unser Mandant - beantragte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag wurde abgelehnt, da der Kläger nicht hilfebedürftig sei. Er könne den ihm nach dem Tod seines Vaters zustehenden Pflichtteilsanspruch gegen seine Mutter zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes einsetzen.

Die Eltern des Klägers hatten sich gegenseitig in einem sogenannten „Berliner Testament“ zu Alleinerben eingesetzt. Die Kinder sollten Erben des Längstlebenden sein. Ein Kind, welches vom Nachlass des Erstversterbenden einen Pflichtteil fordern sollte, sollte auch vom Nachlass des Überlebenden lediglich den Pflichtteil erhalten. Hauptvermögensbestandteil der Eltern war eine Immobilie.

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) ist dann zu versagen, wenn der Antragsteller über ausreichendes Vermögen verfügt. Allerdings hat gem. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II ein Vermögen unberücksichtigt zu bleiben, dessen Verwertung für den Antragsteller eine besondere Härte darstellen würde.

Nach Auffassung des Sozialgerichts Münster stellt die Verweisung des Klägers auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs im vorliegenden Fall eine derartige besondere Härte dar. Bei einer solchen Fallkonstellation seien auch die Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter zu berücksichtigen und nicht allein die rein wirtschaftlichen Folgen für den Hilfebedürftigen zu betrachten. Deshalb könne der Hilfebedürftige nicht ohne Weiteres auf die Verwertung des Pflichtteilsanspruchs für seinen Lebensunterhalt verwiesen werden.

Das Haus, an welchem der Pflichtteilsanspruch des Klägers besteht, stellt den einzigen Vermögensgegenstand dar, den seine Mutter besitzt. Der Wille der Eltern bei der Errichtung des Testaments ging dahin, dem überlebenden Elternteil, die Sicherheit zu verschaffen, auch nach dem Versterben des Partners uneingeschränkt über das Vermögen, hier das Haus, verfügen zu können. Dies stelle insbesondere eine Sicherheit für das Alter dar und die Sicherheit, in der gewohnten Umgebung bleiben zu können.

Es erschien dem Gericht daher unzumutbar, von dem Kläger zu verlangen, das Erbe seiner Mutter durch Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs dauerhaft einzuschränken, um seine voraussichtlich nur übergangsweise bestehende Hilfebedürftigkeit zu beseitigen.

Münster, 31.01.2008

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht