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Mit Auto kein BAföG? - Neues zur Vermögensberechnung bei Studierenden

In der Öffentlichkeit fand eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster vom 21.07.2006, Aktenzeichen 6 K 5279/03 einige Aufmerksamkeit, bei der es um die Berücksichtigung eines PKW's bei der Berechnung des Vermögens eines Studierenden ging. Das Urteil macht deutlich, dass die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung einiger Verwaltungsgerichte deutlich auseinander geht - mit unter Umständen erheblichen Nachteilen für die Studierenden.

Die gesetzliche Ausgangslage findet sich in § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG. Danach gelten "Haushaltsgegenstände" nicht als Vermögen. Nach den Verwaltungsvorschriften der Studentenwerke rechnen PKW's zu diesen Haushaltsgegenständen (Tz 27.2.5). Daraus folgt, dass nach einem PKW bei der Beantragung von Leistungen der Ausbildungsförderung nicht gefragt wird und auch sonst ein PKW bei der Vermögensberechnung keine Rolle spielt.

Diese Verwaltungspraxis wurde in der rechtswissenschaftlichen Kommentarliteratur schon lange kritisiert. Es sei nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, dass derjenige, der 10.000,00 EUR in einen PKW gesteckt habe, Ausbildungsförderung erhalte, während derjenige, der einen Bausparvertrag über den gleichen Betrag abgeschlossen habe, keine Ausbildungsförderung erhalten solle. Auch könnten Gründe der Verwaltungsvereinfachung es nicht rechtfertigen, dass ein PKW regelmäßig unberücksichtigt bleibe.

Die Rechtsprechung ist demgegenüber uneinheitlich. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellte mit Urteil vom 21.02.1994, Aktenzeichen 7 S 197/93 fest, ein PKW gehöre jedenfalls "regelmäßig" zu den Haushaltsgegenständen. Eine Ausnahme ergäbe sich dann, wenn es um ein "Luxusauto" gehe, also ein Auto, dass den "üblichen Wert" wesentlich übersteigt. Das Verwaltungsgericht Minden vertrat schon länger die Auffassung, ein PKW sei grundsätzlich zum Vermögen eines Studierenden zu rechnen, etwa mit Urteil vom 21.10.2004, Aktenzeichen 9 K 6934/03. Darin stellte das Gericht fest, dass es bereits zweifelhaft sei, ob ein PKW zu "Haushaltsgegenständen" zu rechnen sein. Jedenfalls sei die Nichtanrechnung der PKW's nach Sinn und Zweck nicht gerechtfertigt. Das Gesetz stelle Haushaltsgegenstände im Hinblick auf die Notwendigkeit für die allgemeine Lebensführung der Studierenden von der Vermögensanrechnung frei. Deshalb seien regelmäßig Möbel, Haushaltsgeräte, Wäsche, Geschirr, Musikinstrumente und Fernsehgeräte nicht zu berücksichtigen. Anders sehe die Sache jedoch bei einem PKW aus. Ein PKW sei im Regelfall zur Lebensführung des Auszubildenden nicht erforderlich. Sei das ausnahmsweise einmal anders, etwa aus gesundheitlichen Gründen, könne dem durch die Härteregelung des § 29 Abs. 3 BAföG entsprochen werden. Dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Minden hat sich jetzt auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss vom 17.03.2006, Aktenzeichen 4 B 399/06 angeschlossen.

Konsequenzen hat - entgegen der Berichterstattung etwa bei Spiegel online - diese Rechtsprechung nicht im Rahmen der Vermögensüberprüfung im Rahmen des sog. "BAföG-Datenabgleichs". Beim BAföG-Datenabgleich geht es regelmäßig um die Frage, ob ein Studierender vorsätzlich oder grob fahrlässig Fragen nach seinem Vermögen falsch beantwortet hat und deshalb dazu beigetragen hat, dass er zu Unrecht BAföG-Leistungen erhalten hat. Das hat dann gegebenenfalls eine Rückforderung des BAföG zur Folge bzw. bei vorsätzlichen Falschangaben sogar ein Strafverfahren. Da die Studierenden hier allerdings nicht nach dem PKW-Vermögen gefragt worden sind, stellt sich weder im Hinblick auf die Rückforderung von Ausbildungsförderung noch im Rahmen des Strafverfahrens tatsächlich die Frage, ob ein PKW zum Vermögen eines Studierenden hinzuzurechnen ist. Wer nicht danach gefragt worden ist, ob er ein Auto hat, der begeht auch keine Täuschungshandlung, wenn er seinen PKW nicht angibt. Anders stellt sich die Situation beim laufenden BAföG-Bezug dar. Wer etwa der Meinung ist, das Elterneinkommen sei fehlerhaft berechnet, dann einen Prozess gegen das Studentenwerk führt, der muss sich - da das Verwaltungsgericht den BAföG-Anspruch umfassend überprüft - auf die Situation einstellen, dass es im Verwaltungsprozess gar nicht mehr um die Frage des Elterneinkommens geht, sondern das Verwaltungsgericht ihm - angesichts des PKW-Besitzes - entgegenhält, er hätte ja überhaupt keinen Anspruch auf BAföG. Die Verwaltungsgerichte sind nur an das Gesetz gebunden bzw. an das, was sie im Rahmen der Auslegung für den Inhalt des Gesetzes halten. An die Verwaltungsvorschriften des Studentenwerkes sind sie nicht gebunden. Für die Studierenden ist das Ganze eine missliche Situation. Auf die Fehler des Studentenwerks im angefochtenen BAföG-Bescheid kommt es nicht an, sondern nur auf das Auto, für das sich das Studentenwerk gar nicht interessiert hatte. Die Situation lässt sich nur dadurch auflösen, dass es hier zu einer einheitlichen Praxis von Gerichten und Verwaltung kommt. Vermutlich besteht auf Seiten der Studentenwerke wenig Neigung, jetzt PKW's als Vermögenswerte in vollem Umfang zu berücksichtigen. Die konkrete Wertermittlung eines PKW's ist häufig relativ aufwändig. Hier sind viele Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass ganz erheblicher Verwaltungsaufwand entsteht. Deshalb spricht viel für die vermittelnde Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach ein "normales Studentenauto" beim Vermögen unberücksichtigt bleibt. Wer sich allerdings einen PKW in der Größenordnung kauft, auf die auch ein Verwaltungsrichter längere Zeit sparen muss, der muss damit rechnen, dass dieser PKW als Vermögenswert angerechnet wird.

Hier bietet sich eine Orientierung an den Regelungen zu Hartz IV, § 12 III S. 1 Ziff. 2 SGB II an. Danach bleibt ein angemessener PKW bei der Vermögensberechnung unberücksichtigt. Nach der der Verwaltungspraxis der Bundesagentur für Arbeit darf ein solcher PKW einen Wert von 5.000,00 EUR haben. Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte dürfe der Wert auch ca. 10.000,00 EUR betragen, SG Aurich, Beschluss vom 24.02.2005, Aktenzeichen S 15 AS 11/05 ER. Das liegt in der Größenordnung, die auch der VGH Baden-Württemberg einem Studierenden belässt.

Deshalb ergibt sich für all diejenigen, die vor Beginn der Ausbildung ihr Vermögen zum Autohändler tragen, ein gewisses Risiko. Zwar ist ein Studierender vor Beginn des Studiums völlig frei, was er mit seinem Vermögen macht, er kann es für alle möglichen Zwecke ausgeben, es verjuxen und vertrinken. Er darf es freilich nicht an seine Verwandtschaft verschenken, das führt zu einer Anrechnung des Vermögens und er darf es, das ergibt sich aus dieser Rechtsprechung wohl nicht in Luxusautomobile investieren. Sonst wird das Luxusauto teuer: Es kostet nicht nur viel Geld, sondern bringt einen Studierenden auch um den BAföG-Anspruch.

Münster, 11.10.2006

Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht