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Sprachkenntnisse fürs Auslandsstudium

Die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung im Ausland hängt nach § 5 Abs. 2 S.1 Halbsatz 2 BAföG davon ab, dass ein Studierender über "ausreichende Sprachkenntnisse" verfügt.

In der rechtswissenschaftlichen Literatur und der Rechtsprechung ist streitig, über welche Sprachkenntnisse ein Studierender verfügen muss: Muss er nur die Unterrichtssprache kennen, oder muss er auch die Landessprache kennen? Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hält es für ausreichend, wenn ein Studierender die Unterrichtssprache beherrscht, nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz, an der sich auch die Ämter für Ausbildungsförderung orientieren, kommt es auf die Kenntnisse der Unterrichts- und der Landessprache an. Nach unserer Auffassung richtet dies für Studierende, die etwa in Ungarn für ein Semester studieren wollen, ganz erhebliche Hürden auf: Auch wenn verschiedene Hochschulen in Ungarn inzwischen Unterricht in deutscher und englischer Sprache anbieten, so dürften doch die wenigsten Studierenden über Kenntnisse der ungarischen Landessprache verfügen. Das Verwaltungsgericht Oldenburg stellt sich jetzt mit einer Entscheidung vom 20.06.2006, Aktenzeichen 13 A 113/05, auf die Seite des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Dies hält es für ausreichend, dass ein Studierender über Kenntnisse der Unterrichtssprache verfügt. Ausschlaggebend ist aus Sicht des Verwaltungsgerichtes der Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 2 BAföG, wonach Ausbildung "für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte," geleistet wird, "wenn ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden sind". Mangels eines anderweitigen Bezugspunkts könne sich die Formulierung "ausreichende Sprachkenntnisse" nur auf die Ausbildungsstätte beziehen und nicht auf Land und Leute. Es könne ohnehin gewöhnlich im Rahmen eines halbjährigen Auslandsaufenthaltes nur ein gewisser Einblick in die Landeskultur gewonnen werden, die gerade in Ungarn schon deshalb auch einem ausländischen Studierenden aus Deutschland möglich ist, weil ein großer Teil der ungarischen Bevölkerung über Kenntnisse der deutschen und englischen Sprache verfügt und immerhin auch ungarische Studierende dieselben Lehrveranstaltungen besuchen.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte zwar wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache - es liegt noch keine entsprechende Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vor - die Berufung zugelassen, das Amt für Ausbildungsförderung hat die Entscheidung allerdings akzeptiert. Ob alle Ämter für Ausbildungsförderung daraus die Konsequenzen ziehen, nunmehr allein Kenntnisse der Unterrichtssprache für erforderlich zu halten, bleibt abzuwarten. Bis dahin sollten sich Studierende, die keine Ausbildungsförderung deshalb erhalten, weil sie nicht über Kenntnisse der Landessprache wohl aber über Kenntnisse der Unterrichtssprache verfügen, mit einer Ablehnung ihrer BAföG-Bescheide nicht zufrieden geben, sondern Widerspruch einlegen.

Von dieser neuen Rechtsprechung sind auch Studierende in Nordrhein-Westfalen betroffen. Denn die Auslandsförderung wird durch bestimmte Ämter für Ausbildungsförderung gewährt, für Ungarn ist beispielsweise immer das Studentenwerk im Landkreis Mainz-Bingen zuständig.

Münster, 11.10.2006

Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht