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Überbeurteilung muss plausibel sein

Beurteilungsrichtlinien sehen im Regelfall vor, dass nach dem Erstbeurteiler noch ein zweiter Beurteiler, der meistens aus der Behördenleitung stammt, die Möglichkeit hat, die Beurteilung abzuändern. Dies soll gewährleisten, dass innerhalb der zu bildenden Vergleichsgruppen ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab angewandt wird. Probleme ergeben sich daraus, dass der Zweitbeurteiler den zu Beurteilenden im Regelfall kaum oder überhaupt nicht beurteilen kann, weil dieser keinen regelmäßigen dienstlichen Kontakt mit dem Beamten hat. Die Rechtsprechung ist hier aber sehr großzügig. Aufgabe des Zweitbeurteilers sei es, für eine gleichmäßige Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe zu sorgen. Hierfür sei in erster Linie die Kenntnis aller Beurteilungen derjenigen Beamten erforderlich, die sich in einer Vergleichsgruppe befinden. Diese Kenntnis habe in erster Linie der Zweitbeurteiler und nicht der Erstbeurteiler.

Eine Überbeurteilung wird daher nicht selten vorgenommen. Sie wird häufig damit gerechtfertigt, dass die in den Beurteilungsrichtlinien für bestimmte Spitzennoten vorgesehenen Richtwerte eingehalten werden sollen. Aber auch der bloße Hinweis auf den zu bildenden einheitlichen Beurteilungsmaßstab ist nicht selten. Diese beiden Begründungen reichen aber allein nicht aus, um eine Herabsetzung des Gesamturteils der Beurteilung zu rechtfertigen. Die Begründung für die Überbeurteilung muss vielmehr plausibel sein. So vertritt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss vom 27.02.2012 - 6 B 1477/11 - die Auffassung, dass der bloße Hinweis auf einen notwendigen strengen Maßstab bei der Vergabe von Spitzennoten nicht ausreichend sei, um eine Herabsetzung des Gesamturteils in einer Beurteilung durch den Zweitbeurteiler zu rechtfertigen. Dabei stellt das Oberverwaltungsgericht klar, dass gegen die Anwendung eines strengen Maßstabes bei der Vergabe von Spitzenbeurteilungen nichts einzuwenden sei. Allerdings müsse dann plausibel begründet werden, warum die im konkreten Einzelfall vorgenommene Herabsetzung eines Gesamtergebnisses einer Beurteilung notwendig sei um diesem Maßstab gerecht zu werden. Dabei habe es im konkreten Einzelfall nicht ausgereicht, dass der Zweitbeurteiler den Text der Beurteilungen der Vergleichsgruppe miteinander verglichen und ausgewertet habe. Vielmehr hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass die Beurteilungen im Rahmen der Vergleichsgruppe von unterschiedlichen Beurteilern erstellt worden seien. Es sei nicht plausibel dargelegt, dass die unterschiedlichen Formulierungen aus einer unterschiedlichen Anwendung des Bewertungsmaßstabes resultieren.

Ferner ließ das Oberverwaltungsgericht auch nicht das Argument gelten, im Rahmen der Überbeurteilung sei berücksichtigt worden, dass einzelnen Mitgliedern der Vergleichsgruppe bereits seit längerer Zeit in ihren Beurteilungen Spitzenleistungen bescheinigt worden seien. Maßgebend für eine Beurteilung seien ausschließlich die Leistungen eines Beamten innerhalb eines Beurteilungszeitraums. Ergänzend hierzu wird man anführen können, dass im Rahmen von Auswahlentscheidungen für eine Beförderung bei einem Notengleichstand von zwei Bewerbern die Leistungsentwicklung - und damit auch frühere Beurteilungen - berücksichtigt werden können. Eine doppelte Berücksichtigung sowohl bei der Vergabe der Note in der Beurteilung als auch später im Rahmen der Leistungsentwicklung ist nicht sachgerecht.

Festzuhalten bleibt somit, dass eine Überbeurteilung nicht willkürlich und ohne plausible Begründung vorgenommen werden darf. Es reicht auch nicht aus, zur Begründung Allgemeinplätze oder standardisierte Formulierungen zu verwenden. Maßgebend ist eine Darlegung des Zweitbeurteilers, warum zur einheitlichen Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe eine Herabsetzung einer Beurteilung gerechtfertigt ist. Wird diese Begründung nicht gegeben, ist die Beurteilung rechtswidrig und kann mit Rechtsmitteln angegriffen werden.

Münster, 24.04.2013

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht