Beamtenrecht
Rechtsinfo Archiv

Zurück

Beamtenrecht
Mit Übergewicht Beamter werden?

Übergewichtigen Männern und Frauen, die in das Beamtenverhältnis übernommen werden wollen, wird regelmäßig entgegengehalten, dass aufgrund des Übergewichts die gesundheitliche Eignung für eine Tätigkeit im Beamtenverhältnis verneint werden müsse. Die gleiche Problematik stellt sich wiederum dann, wenn zwar zunächst eine Ernennung zur Beamtin bzw. zum Beamten erfolgt ist, aber kurz vor Ablauf der Probezeit die gesundheitliche Eignung vom Dienstherrn erneut oder erstmalig unter Hinweis auf ein vorliegendes Übergewicht problematisiert wird. Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit daher recht häufig mit der Frage befassen müssen, ob und gegebenenfalls ab welchem Ausmaß Übergewicht die gesundheitliche Eignung ausschließt.

Grundsätzlich bestand in der Vergangenheit Einigkeit in der Rechtsprechung, dass Übergewicht Zweifel an der gesundheitlichen Eignung begründen kann. Bei übergewichtigen Personen könnten künftige Erkrankungen und eine dauernde vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dabei hat man sich an der Einteilung der Weltgesundheitsorganisation zu den Schweregraden von Adipositas orientiert. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Bewertung der Adipositas der so genannte Body-Maß-Index (BMI). Es werden drei schwere Grade unterschrieben:

I 30-34,9

II 35-39,9

III > 40

Der BMI ist jedoch ein schlechter Indikator für die Frage, wie sich der Gesundheitszustand einer Person zukünftig entwickeln wird. So ist anerkannt, dass für die Bewertung, ob das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen bei Übergewicht steigt, weniger die grobe Einteilung des BMI sondern vielmehr das Verhältnis von Körperfett und Muskulatur und die Verteilung des Körperfettes entscheidend sind. Dieser Umstand hat beispielsweise das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung vom 16.05.2011 dazu veranlasst, den BMI als ungeeigneten Indikator für die Frage, ob zukünftige Erkrankungen bei einer Person auftreten werden, anzusehen.

Ferner ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass bei einer Adipositas mit dem Schweregrad I nicht die Gefahr von zukünftigen Erkrankungen oder einer dauernden Dienstunfähigkeit begründet ist. Die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis könne daher nicht mit dem bloßen Hinweis auf das Vorliegen einer Adipositas I verneint werden.

Übergewicht schließt somit nach der bisherigen Rechtsprechung nicht in jedem Fall die Übernahme in das Beamtenverhältnis aus. Jeder Einzelfall muss konkret betrachtet und bewertet werden.

Darüber hinaus stellt sich aber auch die grundsätzliche rechtliche Frage, inwieweit bei einer Person, die aktuell gesund ist, aus bloßen statistischen Erhebungen auf den Eintritt von erheblichen Erkrankungen in der Zukunft geschlossen werden darf. Schließlich stellt Übergewicht - von seltenen Extremfällen abgesehen - keine Erkrankung dar. Die bloße statistische Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Erkrankungen kann jedoch nicht ausreichend sein, um eine Person in der Umsetzung eines Grundrechtes zu beschränken. Andernfalls müssten auch nach der Statistik drohende zukünftige Erkrankungen, die auf einer genetischen Vorbestimmung beruhen, zu einer Verneinung der gesundheitlichen Eignung zur Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe führen. Derartige Wahrscheinlichkeiten aufgrund der individuellen Erbanlagen sind für viele Erkrankungen statistisch nachgewiesen. Sie können jedoch für die Frage, ob eine Person in das Beamtenverhältnis übernommen wird, so lange keine Rolle spielen, so lange sich die Erkrankung nicht eingestellt hat. Die Statistik ist grundsätzlich kein Faktor, der bei der Bestimmung der gesundheitlichen Eignung eine Rolle spielen darf, solange sich das Risiko einer Erkrankung nicht verwirklicht hat. Würde man dies anders sehen, so wäre das Grundrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG entwertet. Es bleibt abzuwarten, wann sich die Rechtsprechung mit dieser grundsätzlichen Frage beschäftigen wird. Sie sollte jedenfalls in jedem Verfahren, in dem die Übernahme in das Beamtenverhältnis wegen Übergewichts abgelehnt wird, gestellt werden.

Münster, 24.04.2013

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht