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Rechtsfolgen bei einem Rückfall in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht bisher davon aus, dass der Beamte, bei dem eine Alkoholabhängigkeit besteht, ein Dienstvergehen begeht, wenn er nach einer Therapie und einer trockenen Phase durch einen Rückfall erneut in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit gerät. Dem Beamten wird unterstellt, dass er aufgrund der Therapie über die Gefahren des Alkoholkonsums aufgeklärt worden sei und ihm Steuerungsmöglichkeiten vermittelt worden seien, durch die er einen Rückfall vermeiden könne. Kommt es dennoch zu einem Rückfall, wird ein schuldhaftes Dienstvergehen angenommen. Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens droht dem Beamten dann eine Entfernung aus dem Dienst.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr am 18.03.2015 unter dem Az. 10 AZR 99/14 eine Entscheidung getroffen, die auch wegweisend für die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in derartigen Disziplinarverfahren sein sollte. Das Bundesarbeitsgericht folgt den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach ein Rückfall in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit zum Krankheitsbild gehört. Es bestehe daher keine Vermutung dafür, dass der Rückfall im Regelfall auf einem Verschulden des Betroffenen beruhe. Auch aus einer entsprechenden Belehrung im Rahmen einer Therapie ergebe sich nichts anderes. Allerdings könne auch nicht aufgrund der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse angenommen werden, dass grundsätzlich ein Verschulden ausgeschlossen werden könne. Vielmehr bedürfe die Frage des Verschuldens jeweils einer konkreten Untersuchung durch ein Sachverständigengutachten. Nur durch eine solche Begutachtung sei es möglich, unter Berücksichtigung der Schwere der Alkoholabhängigkeit und aller zum Rückfall führenden Faktoren eine Aussage über ein etwaiges Verschulden zu treffen. Es komme daher im gerichtlichen Verfahren maßgebend darauf an, ob der Arbeitgeber Anhaltspunkte benenne, die auf einen verschuldeten Rückfall nach durchgeführter erfolgreicher Therapie schließen ließen.

Die bisher von den Verwaltungsgerichten in entsprechenden Disziplinarverfahren vertretene Auffassung, dass der Rückfall in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit im Regelfall auf einem Verschulden des Beamten beruhe, lässt sich daher nicht aufrechterhalten. Auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kenntnis nehmen müssen, wonach der Rückfall zum Krankheitsbild eines alkoholkranken Menschen gehört. In einem Disziplinarverfahren muss daher mit Nachdruck darauf gedrängt werden, dass im Hinblick auf das Verschulden für den Rückfall ein Sachverständigengutachten eingeholt wird. Dabei ist der Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ein weiteres Argument für eine derartige Beweisaufnahme.

Der Rückfall in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit führt daher nicht mehr automatisch in einem Disziplinarverfahren zu einer Entfernung aus dem Dienst. Betroffene Beamte haben vielmehr gewichtige rechtliche Argumente auf ihrer Seite um eine derartige Disziplinarmaßnahme zu verhindern.

<link file:217 _neuesfenster>aus Newsletter Beamtenrecht 4/2015

Münster, 30.10.2015

Dr. Frank Schulze, Fachanwalt für Verwaltungsrecht