Beamtenrecht
Rechtsinfo Archiv

Zurück

Beamtenrecht
Gesetzgeber muss Streikverbot für Beamte lockern

Nach dem deutschen Beamtenrecht ist es Beamtinnen und Beamten untersagt, zu streiken. Verweigern sie im Rahmen eines Streiks dennoch die Arbeit, so wird ein Dienstvergehen unterstellt. Dies führt regelmäßig zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 27.02.2014 einen Fall zu entscheiden, in dem gegen eine Lehrerin, die an einem gewerkschaftlich organisierten Streik teilgenommen hatte, eine Geldbuße i. H. v. 1.500,00 € verhängt worden war. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht hatten diese Entscheidung für rechtmäßig erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht verringerte die Geldbuße auf einen Betrag i. H. v. 300,00 €.

Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gilt weiterhin das Streikverbot für Beamte. Allerdings sieht auch das Bundesverwaltungsgericht insoweit einen Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Dort ist nämlich in Art. 11 Abs. 1 ein Streikrecht grundsätzlich anerkannt. Die einzelnen Staaten, welche die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben, können lediglich für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staatsverwaltung ein Streikrecht ausschließen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte bereits vor einiger Zeit entschieden, dass Staatsbedienstete der hoheitlichen Staatsverwaltung nur angehören, wenn sie an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt sind. Dies ist in Deutschland beispielsweise bei Lehrerinnen und Lehrern gerade nicht der Fall.

Das Bundesverwaltungsgericht sah sich aber nicht in der Lage, die Konsequenz aus der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zu ziehen und die nationale Regelung, die Streiks für Beamte verbietet, für unwirksam zu erklären. Vielmehr hält es den Gesetzgeber für verpflichtet, die Kollision des nationalen Rechtes mit der Europäischen Menschenrechtskonvention aufzulösen. Der Gesetzgeber muss somit jetzt tätig werden. Dies kann nur bedeuten, dass gesetzlich für diejenigen Beamtinnen und Beamten, die keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, das Streikverbot aufgehoben wird. Es bleibt abzuwarten, wie schnell der Gesetzgeber hier tätig wird. Es ist zu befürchten, dass noch einige Zeit vergehen wird und noch weitere Prozesse geführt werden müssen, bevor eine gesetzliche Regelung, die der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht, erlassen wird. Obwohl das Bundesverwaltungsgericht das generelle Streikverbot für Beamtinnen und Beamte, die keine hoheitlichen Aufgaben ausführen, nicht aufgehoben hat, weist die Entscheidung jedoch in die richtige Richtung.

Interessant ist eine vom Bundesverwaltungsgericht für die Übergangszeit getroffene Aussage. Das Bundesverwaltungsgericht verweist darauf, dass sich aus dem Alimentationsgrundsatz für den Gesetzgeber das Verbot ergibt, die Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung, die in den Tarifabschlüssen für Nichtbeamte zum Ausdruck kommt, abzukoppeln. Dies bedeutet somit, dass sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene Sonderopfer für Beamtinnen und Beamte durch teilweisen oder vollständigen Verzicht auf Besoldungserhöhungen nicht mehr zulässig sind. Nur vor diesem Hintergrund hält das Bundesverwaltungsgericht somit eine Beibehaltung des Streikverbots für eine Übergangszeit für akzeptabel.



Münster, 02.04.2014

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht