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Einstellungshöchstalter ist verfassungswidrig!

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 21.04.2015, die am 28.05.2015 Gegenstand einer Presseerklärung des Gerichtes gewesen ist, eine grundlegende Entscheidung zum Einstellungshöchstalter für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe für Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen getroffen. In der jetzigen Fassung der Laufbahnverordnung ist dort ein Einstellungshöchstalter von 40 Jahren festgelegt. Wir haben in Verfassungsbeschwerden für unsere Mandanten in mehreren Verfahren gerügt, dass diese Regelung nicht verfassungsgemäß sei. Dies hat das Bundesverfassungsgericht nun in einem weiteren Verfahren ausdrücklich festgestellt.

Zur Begründung verweist das Bundesverfassungsgericht darauf, dass sich die Regelung zum Einstellungshöchstalter in einer Rechtsverordnung befindet. Eine Rechtsverordnung stellt zwar ein materielles Gesetz dar. Sie wird allerdings nicht vom Landtag sondern von dem zuständigen Ministerium erlassen. Das Bundesverfassungsgericht ist anders als das Bundesverwaltungsgericht und auch das Oberverwaltungsgericht Münster zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der Festlegung eines Einstellungshöchstalters um eine derart gravierende Entscheidung handele, dass der Landtag selbst hierzu eine Regelung treffen müsse. Die Regelung zum Einstellungshöchstalter in einer bloßen Rechtsverordnung sei bereits aus diesem Grunde aus formalen Gründen verfassungswidrig und damit unwirksam.

Vor diesem Hintergrund hätte sich das Bundesverfassungsgericht zu der Frage, ob inhaltlich die Festsetzung eines Einstellungshöchstalters auf 40 Jahre zulässig ist oder nicht, eigentlich nicht mehr äußern müssen. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht hier einige Hinweise gegeben. Insoweit hat es grundsätzlich den Ansatzpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes gebilligt, dass bei der Einstellung eines Beamten die noch zu erwartende Dienstzeit bis zum Erreichen der Altersgrenze in einem angemessenen Verhältnis stehen müsse zu dem Zeitraum, für den der Beamte dann nach Erreichen der Altersgrenze voraussichtlich Ruhegehalt erhalten wird. Ferner weist das Bundesverfassungsrecht darauf hin, dass insoweit allerdings auch die Altersdiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union zu beachten sei. Für die Auslegung dieser Richtlinie ist letztlich der Europäische Gerichtshof zuständig. Das Bundesverfassungsgericht gibt daher keine weiteren Auslegungshinweise im Hinblick auf diese Richtlinie.

Wir haben in allen von uns geführten Verfahren immer die Auffassung vertreten, dass für die Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie durch die Verwaltungsgerichte zunächst der Europäische Gerichtshof angerufen werden müsse. Dieser muss entscheiden, ob der Ansatzpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes - und jetzt auch des Bundesverfassungsgerichtes - richtig ist, wonach die Altersdiskriminierung durch das Einstellungshöchstalter mit unangemessenen Pensionslasten begründet wird. Insbesondere hat der Gerichtshof sich zu der Frage zu äußern, ob in einem derartigen Fall der nationale Gesetzgeber nicht Änderungen im Rahmen des Versorgungsrechtes vornehmen muss, wenn hierdurch eine Altersdiskriminierung im Rahmen der Einstellung vermieden werden kann.

Diese Frage ist auch aktuell für das Land Nordrhein-Westfalen von Bedeutung, da im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach der Föderalismusreform das Land nun auch die Gesetzgebungszuständigkeit für das Beamtenversorgungsgesetz hat. So hat der Landtag auch im Jahre 2013 ein Landesbeamtenversorgungsgesetz erlassen. Der Landtag wird somit jetzt darüber zu entscheiden haben, ob er zur Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen zu erwartender Dienstzeit und dem Zeitraum, in dem Ruhegehalt gezahlt wird, weiterhin an einem Einstellungshöchstalter festhält oder einschränkende Regelungen im Bereich der Beamtenversorgung schafft. Dies ist zunächst eine politische Entscheidung. Letztlich wird die Frage, ob die dann getroffene Entscheidung mit der Altersdiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union im Einklang steht, aber der Europäische Gerichtshof zu beantworten haben.

Aktuell hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts allerdings die sofortige Wirkung, dass es in Nordrhein-Westfalen kein wirksames Einstellungshöchstalter gibt. Folglich können alle angestellten Lehrerinnen und Lehrer, die das Einstellungshöchstalter von 40 Jahren überschritten haben, nunmehr einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe stellen. Soweit der Landtag vor einer Entscheidung - gegebenenfalls auch eines Verwaltungsgerichtes - ein Einstellungshöchstalter per Gesetz einführt, wird sich die Frage stellen, ob die entsprechenden Bewerberinnen und Bewerbern dann, wenn sie dieses Einstellungshöchstalter wiederum überschreiten, einen Anspruch darauf haben, dass in ihrem Fall eine Ausnahme gemacht wird. Eine entsprechende Ausnahmeregelung findet sich in § 18 Abs. 2 Laufbahnverordnung. Danach kann eine Ausnahme vom Einstellungshöchstalter dann gemacht werden, wenn sich der berufliche Werdegang insgesamt durch den Verfahrenslauf erheblich verzögert hat. Letztlich werden dann wieder die Verwaltungsgerichte die Frage zu entscheiden haben, ob diese Regelung auch auf die betreffenden Bewerberinnen und Bewerber Anwendung findet.


                                                                         aus Newsletter Beamtenrecht 3/2015

 

 

Münster, 02.06.2015

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht