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Sonderkündigungsschutz für Ersatzmitglied an Vertretungstagen ohne BR-Arbeit

Für ein Ersatzmitglied des Betriebsrats gilt im Vertretungsfall auch dann der besondere Kündigungsschutz des §§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, 103 BetrVG, wenn er/sie an diesem Tag nichts für den Betriebsrat tun muss und das vertretene Betriebsratsmitglied später am Tag freiwillig BR-Arbeit erledigt. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 8.9.2011 (2 AZR 388/10) klar gestellt:

Ist ein Betriebsratsmitglied an der Ausübung seines Amtes verhindert, dann wird es in dieser Zeit von dem Ersatzmitglied vertreten, das entsprechend der durch die Betriebsratswahl festgelegten Reihenfolge als nächstes nachrückt. Ein typischer Vertretungsfall ist Urlaub des Betriebsratsmitglieds. Der Urlaub eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds führt nämlich nicht nur zum Ruhen seiner Arbeitspflicht, sondern auch zur Suspendierung seiner Amtspflichten im Betriebsrat. Dem Betriebsratsmitglied wird zwar aufgrund des Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner Amtspflichten nicht objektiv unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar. Das beurlaubte Betriebsratsmitglied gilt zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt.

Rückt ein Ersatzmitglied (vorrübergehend) in den Betriebsrat nach, erwirbt es für diese Zeit den Sonderkündigungsschutzschutz nach §§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, 103 BetrVG. Dieser Sonderkündigungsschutz bedeutet, dass das (Ersatz-)Betriebsratsmitglied nur aus wichtigen Grund gekündigt werden kann und das auch erst, wenn der Betriebsrat oder – falls dieser sich weigert – das Arbeitsgericht vorher seine Zustimmung zur Kündigung gegeben hat.

Das gilt auch dann, wenn an diesem Tag gar keine BR-Arbeit anfällt. Der besondere Kündigungsschutz beginnt im Urlaubsfall regelmäßig mit dem üblichen Arbeitsbeginn am ersten Urlaubstag des verhinderten Betriebsratsmitglieds. Die zeitweilige Verhinderung des ordentlichen Mitglieds erfasst nämlich die Wahrnehmung des Betriebsratsamts als solches unabhängig von der Frage, welche Aufgaben in dieser Zeit anfallen oder ob überhaupt welche anfallen.

Ist der Urlaub und damit das Nachrücken vorbei, dann hat das Ersatzmitglied den gleichen Kündigungsschutz, wie ihn ehemalige Betriebsratsmitglieder haben, den sog. nachlaufenden Kündigungsschutz: Innerhalb von einem Jahr ab Ende der Amtszeit kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Das Zustimmungserfordernis durch den BR oder das Arbeitsgericht besteht allerdings nicht mehr.

Entscheidet sich das vertretene Betriebsratsmitglied - obwohl es nicht müsste - doch Betriebsratsarbeit zu erledigen, so ist es hierzu berechtigt und ab diesem Zeitpunkt endet die Vertretung durch das Ersatzmitglied. Dieser Zeitpunkt kann auch mitten am Tag liegen. Im entschiedenen Fall hatte die normale Arbeitszeit um 8 Uhr begonnen, um 10 Uhr erhielt das Ersatzmitglied die Kündigung ausgehändigt und nachmittags sagte das vertretene BR-Mitglied Bescheid, dass es später trotz seines Urlaubs BR-Arbeit erledigen werde, was es dann gegen 16 Uhr tat. Das Ersatzmitglied hatte also in der Zeit von 8 bis 16 Uhr den vollen Sonderkündigungsschutz und hätte daher nur mit Zustimmung des Betriebsrates oder Arbeitsgerichts – die beide fehlten – fristlos gekündigt werden können. Hätte der Bote die Kündigung nach 16 Uhr überreicht, wäre zwar immer noch ein fristloser Kündigungsgrund erforderlich gewesen, aber die Zustimmungshürde wäre weg gefallen gewesen.

Münster, 27.04.2012

Veronica Bundschuh, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht