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Anwesenheitsprämien dürfen nicht bereits wegen eines Krankheitstages gestrichen werden

Immer wieder versuchen Arbeitgeber, den Krankenstand durch Anwesenheitsprämien nach unten zu drücken. Eigentlich ist es ein Unding, die Krankheit eines Menschen zusätzlich durch finanzielle Nachteile zu bestrafen oder aber kranke Menschen durch finanzielle Anreize dazu zu bringen, ihre Genesung durch Arbeitstätigkeit trotz Erkrankung zu gefährden. Bei manchen Arbeitgebern sind solche Prämien sicherlich auch Ausdruck eines grundlegenden Misstrauens gegenüber ihren Beschäftigten, denen sie unterstellen, gar nicht wirklich krank zu sein, sondern nur „blau zu machen“. Ein Zeichen für gutes Betriebsklima ist ein solches grundlegendes Misstrauen sicherlich nicht. Aber auch rechtlich sind solchen Kürzungen wegen Krankheitstagen Grenzen gesetzt.

In § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz ist geregelt, dass für jeden Krankheitstag max. 25 % des durchschnittlichen Tagesgehaltes von der versprochenen Sondervergütung abgezogen werden dürfen. Demgegenüber hatte ein Arbeitgeber in einem am 13.01.2011 vom Landesarbeitsgericht Hamm entschiedenen Fall in einer Betriebsversammlung eine Anwesenheitsprämie in Höhe von 1.000,00 € versprochen, die er an die Bedingung geknüpft hatte, dass im Folgejahr kein einziger Krankheitstag anfalle. Das LAG Hamm entschied nun, dass diese Einschränkung wegen des Verstoßes gegen § 4a EFZG unwirksam ist. Gleichzeitig versagte es dem Arbeitgeber jegliche Kürzung der Anwesenheitsprämie, also auch eine den Vorgaben des § 4a EFZG entsprechende. Grund ist, dass die Gesamtzusage in der Betriebsversammlung als Allgemeine Geschäftsbedingung gilt und daher der strengen Prüfung für Formularverträge unterworfen ist. Bei dieser Prüfung werden Klauseln, die das rechtlich Zulässige überschreiten, komplett gestrichen. Hintergrund ist, dass derjenige, der dem anderen die Vertragsbedingungen vorgibt und es dabei übertreibt, nicht lediglich auf das rechtlich zulässige Maß zurückfallen und damit keinerlei Risiko haben soll. Vielmehr wird er mit dem kompletten Wegfall seiner unzulässigen Klausel „bestraft“. Im vom Landearbeitsgericht entschiedenen Fall bedeutete dies, dass die klagende Mitarbeiterin die kompletten 1.000,00 € Anwesenheitsprämie erhielt, obwohl sie im fraglichen Jahr 24 Tage arbeitsunfähig krank war.

Münster, 03.03.2011

Veronica Bundschuh, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht