Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Wann ist ein Hof ein Hof?

Solange im Grundbuch vermerkt ist, dass der Hof ein Hof ist, findet das Sondererbrecht der Höfeordnung Anwendung – so die allgemeine Vorstellung. Nach der Höfeordnung tritt der Verlust der Hofeigenschaft erst mit der Löschung des Hofvermerks im Grundbuch ein, oder wenn der Wirtschaftswert unter 5.000 Euro sinkt oder keine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle mehr besteht.

Darüber hinaus kann die Hofeigenschaft jedoch auch durch andere tatsächliche Gegebenheiten entfallen, obwohl ein Hofvermerk im Grundbuch weiterhin eingetragen ist. Dieses ist dann der Fall, wenn tatsächlich keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist. Dabei führt der Begriff der Besitzung leicht in die Irre. Denn gemeint ist damit keinesfalls, dass es genügt, einzelne landwirtschaftliche Grundstücke zu besitzen. Es ist vielmehr erforderlich, dass über den reinen Besitz hinaus eine wirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden ist. Dieser Ausdruck meint die organisatorische Tätigkeit des Inhabers, der die einzelnen Grundstücke bewusst und gewollt zu einer Wirtschaftseinheit verbunden haben muss, d.h. diese insbesondere von einer zentralen Hofstelle aus bewirtschaftet.

Entscheidender Zeitpunkt für die Beantwortung der Frage, ob eine solche wirtschaftliche Betriebseinheit vorliegt, ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Nur dann, wenn die landwirtschaftliche Betriebseinheit in diesem Zeitpunkt in der Lebenswirklichkeit noch besteht, liegt ein Hof vor. Dabei kommt es im Schwerpunkt nicht darauf an, ob eine Wiederherstellung des landwirtschaftlichen Betriebes durch den potentiellen Hoferben hinreichend sicher zu erwarten ist.

Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob der Erblasser den Betrieb im Zeitpunkt des Erbfalls nicht bereits endgültig eingestellt bzw. aufgelöst hatte. Ob ein Hof aufgelöst ist, ist durch eine Gesamtschau aller objektiven Gegebenheiten zu beantworten. Als wesentliche Indizien für das Fehlen einer wirtschaftlichen Betriebseinheit dienten den Gerichte in der Vergangenheit der bauliche Zustand der Hofstelle oder deren Nutzung zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken, die andauernde Aufgabe der Bewirtschaftung oder die jahrzehntelange Verpachtung oder Vermietung von Grundstücken. Auch fehlendes oder veraltetes Maschineninventar oder das gänzliche Fehlen von Tieren und landwirtschaftlich genutzten Flächen (Feldinventar) können Indizien für eine aufgelöste landwirtschaftliche Besitzung sein. Darüber hinaus muss eine weitere Betriebsführung auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein, wofür es unter anderem erforderlich ist, dass benötigtes Kapital aus den Erträgen des Hofes geleistet werden kann. Erst im November des vergangenen Jahres hat der Bundesgerichtshof die Indizwirkung dieser tatsächlichen Gegebenheiten für den Wegfall der Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs bestätigt. Ein Hof wird – auch im Hinblick auf das Vorliegen dieser Indizien – umso kritischer begutachtet, je kleiner der Hof ist.

Der alleinige Blick in das Grundbuch genügt daher oftmals nicht, um festzustellen, ob es sich bei dem eigenen Hof oder dem der Familie noch um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt und ob dieser mithin nach deren Sondererbrecht oder aber nach dem allgemeinen Erbrecht vererbt wird. Es kommt vielmehr auf die tatsächlichen Umstände im Einzelfall an.

Um erbrechtliche Auseinandersetzungen in der Familie zu verhindern, ist es daher wichtig, diese Frage rechtzeitig zu klären.

Münster, 06.01.2015

Mechtild Düsing, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Verwaltungs- Erb- und Agrarrecht