Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Der EuGH entscheidet über Mutterkuhprämien

1. Wann dürfen Mutterkuhprämienansprüche gekürzt werden?

Fehler bei der Beantragung von Mutterkuhprämien haben in der Vergangenheit nicht nur dazu geführt, dass der jeweilige Anspruch für das betreffende Antragsjahr um das nicht prämienfähige Antragstier und um eine zusätzliche Sanktion gekürzt wurde. Vielmehr haben die Behörden die Auffassung vertreten, dass auch der eigentliche Mutterkuhprämienanspruch, der dem Landwirt jährlich ein Antragsrecht für eine bestimmte Anzahl von Mutterkühen garantierte, in vielen Fällen zu kürzen war. Hintergrund ist eine Regelung im europäischen Recht, wonach ein Landwirt seine Mutterkuhprämienansprüche in einem Antragsjahr in Höhe eines vom Gesetz festgelegten Mindestsatzes nutzen muss. Dieser Mindestsatz lag in der Vergangenheit in einigen Jahren bei 90%, in anderen Jahren bei 70% der Mutterkuhprämienansprüche. Die Behörden vertreten die Auffassung, dass ein Landwirt, der für nicht prämienfähige Tiere einen Antrag auf Mutterkuhprämie gestellt hat, in diesem Umfang seine Mutterkuhprämienansprüche nicht nutzt. Waren somit mehrere Antragstiere nicht prämienfähig, so dass der Mindestsatz von 70% bzw. 90% nicht erreicht wurde, so wurden die Mutterkuhprämienansprüche gekürzt. Dies hatte für den Landwirt zur Folge, dass er in den nachfolgenden Jahren nur in einem geringeren Umfang Mutterkuhprämien beantragen konnte.

Das Bundesverwaltungsgericht war nun mit einem Fall befasst, in dem ein Landwirt für 64 Tiere einen Antrag gestellt hatte. Nach Auffassung der Behörde waren 17 Tiere nicht prämienfähig. Damit hatte der Landwirt die damals geltende Mindestgrenze von 90% der Mutterkuhprämienansprüche nach Auffassung der Behörde nicht „genutzt“. Die Ansprüche wurden daher von 65 Prämienansprüchen auf 47 Prämienansprüche herabgesetzt.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass die Verwaltungspraxis der Behörde nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht. Dieses solle verhindern, dass Erzeuger, die ihren Betrieb verkleinern und deshalb ihre Prämienrechte nicht ausschöpfen, ihre bisherigen Prämienansprüche horten. Der Landwirt habe im konkreten Fall seinen Betrieb aber nicht verkleinert. Er wollte vielmehr seine Prämienansprüche ausschöpfen. Da das europäische Recht insoweit nicht eindeutig ist, hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Sache zur Entscheidung vorgelegt.

Landwirte, die noch Widerspruchs- oder Klageverfahren wegen der Kürzung von Mutterkuhprämienansprüchen betreiben, sollten daher auf eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hinwirken.

2. Was ist eine Mutterkuh im Rechtssinne?

In dem oben beschriebenen Fall, der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegt, hatte der Landwirt für trächtige Färsen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgekalbt hatten, einen Antrag auf Gewährung der Mutterkuhprämie gestellt. Dies geschah im Antragsjahr 1998, in dem für Färsen noch kein Antrag auf Gewährung der Mutterkuhprämie gestellt werden konnte. Die Behörde stellte sich daher auf den Standpunkt, dass die trächtigen Färsen keine Mutterkühe seien, so dass hierfür keine Prämien gewährt werden können.

Das europäische Recht, das für das Antragsjahr 1998 galt, ist insoweit allerdings nicht eindeutig. Danach wird nämlich auch eine trächtige Färse als Mutterkuh angesehen, wenn sie eine aus dem Betrieb abgehende Mutterkuh ersetzt. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht, dass diese Ersetzung nach Antragstellung vorgenommen werden muss. Hierüber wird nun der EuGH zu entscheiden haben.

Ferner hatte der Landwirt trächtige Färsen, die im vorangegangenen Antragsjahr bereits eine Mutterkuh ersetzt hatten, in seinem Antrag angegeben, obwohl sie noch nicht abgekalbt hatten. Insoweit stellt sich die Frage, ob eine trächtige Färse nicht zumindest dann als Mutterkuh angesehen werden muss, wenn sie bereits einmal in einem Antragsjahr eine Mutterkuh ersetzt hat. Auch hier muss eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Klarheit schaffen.

Landwirte, bei denen im Rahmen von Widerspruchs- oder Klageverfahren noch die Frage streitig ist, ob ein von den Behörden nicht anerkanntes Tier als Mutterkuh anzusehen ist, sollten unter Hinweis auf das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eine Aussetzung des Verfahrens erwirken.

Münster, 17.10.2005

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt