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Aus für Penny-Versicherungen

 

Übernimmt ein Lebensmittel-Discounter den Direktvertrieb für Versicherungen, muss er sicherstellen, dass sachkundige und zuverlässige Versicherungsvermittler (§ 34 d GewO) den Kunden beraten. Das LG Wiesbaden erteilte dem Vertrieb von Rechtsschutzversicherungen über die Penny-Märkte der REWE-Gruppe mit Urteil vom 14.05.2008 (– 11 O 8/08 -) eine Absage.

 

Im Herbst 2007 vertrieb die ARAG bundesweit über die Penny-Filialen der REWE-Gruppe eine Verkaufsbox, in welcher sich Versicherungsunterlagen zu einem Rechtsschutzversicherungspaket befanden. Die Box enthielt ein Registrierungsformular sowie eine PIN-Nummer. An der Kasse wurde die Verkaufsbox bezahlt. Mithilfe des Registrierungsformulars konnte sich der Kunde bei der ARAG registrieren lassen und erhielt den Versicherungsschein zugesandt. Der beim Penny-Markt entrichtete Kaufpreis für die Box wurde mit der Versicherungsprämie für das erste Jahr verrechnet. Sollte sich der Kunde später dazu entschließen, doch keine Versicherung abzuschließen, konnte er die Box zusammen mit dem Kassenbon im Penny-Markt zurückgeben und sich den Kaufpreis erstatten lassen.

 

Der Arbeitgeberverband der finanzdienstleistenden Wirtschaft sah hierin einen Wettbewerbsverstoß. Bei dem Verkauf der Boxen seien die Penny-Märkte als Versicherungsvermittler aufgetreten. Der REWE-Konzern habe durch Werbung bewusst auf potentielle Kunden eingewirkt und diese zum Abschluss eines Versicherungspaketes bewegt. Es sei sogar die erste Versicherungsprämie an der Kasse eingezogen worden. Versicherungsvermittlung dürfe nur durch sachkundige und nach § 34 d GewO zugelassene Versicherungsvermittler betrieben werden. Hierdurch werde der Verbraucher vor unqualifizierter Versicherungsberatung geschützt. Lebensmittel und das Rechtsprodukt „Versicherung“ seien zwei Paar Schuhe. Verkäufer und Kassierer verfügten über keine Sachkunde in Hinblick auf Versicherungen. Dem Verbraucherschutzgedanken habe der Lebensmittelhändler keine Rechnung getragen.

 

Der REWE-Konzern verteidigte sich damit, dass er lediglich eine Verkaufsplattform in den Supermärkten zur Verfügung gestellt hätte. Für den Verbraucher sei der Direktvertrieb über den Lebensmittelhändler vorteilhaft. Der Lebensmittel-Discounter könne die Kostenvorteile des Direktvertriebs unmittelbar an den Kunden weitergeben. Von einer Vermittlungstätigkeit könne keine Rede sein. Die Vertragsanbahnung habe erst mit dem Ausfüllen des Registrierungsformulars begonnen. REWE hätte nur die Boxen mit dem Registrierungsformular und der PIN-Nummer veräußert. Das Formular wurde vom Kunden selbst ausgefüllt. Der Antrag musste dann von der ARAG noch angenommen werden. REWE habe als bloßer Tipgeber fungiert. Die Namhaftmachung eines Versicherers sei indes keine Vermittlungstätigkeit und deshalb zulassungsfrei.

 

Das Landgericht Wiesbaden folgte der Argumentation des REWE-Konzernes nicht. Die Penny-Märkte hätten sachlich-inhaltlich eine Versicherungsvermittlung betrieben. Sie seien nicht als bloße Tip-Geber aufgetreten, welche einen Versicherer namhaft machen. Von einem Tip-Geber erwarte der Kunde lediglich die Weitergabe von Kontakt-Details und keine Beratung. Die Penny-Märkte hätten jedoch mehr gemacht. Unter ihrem eigenen Logo hätten sie das Versicherungspaket der ARAG beworben, die erste Versicherungsprämie eingezogen und eine PIN-Nummer der ARAG an den Kunden weitergegeben, auf welche der ARAG-Konzern einen direkten Zugriff gehabt hätte. Darüber hinaus habe der REWE-Konzern Provisionen für seine Tätigkeit eingestrichen. REWE hätte auch nicht bloße Kontaktdaten des ARAG-Konzerns weitergegeben, sondern ein ganz bestimmtes Versicherungsprodukt beworben und vertrieben. Durch die Einziehung der ersten Versicherungsprämie habe der REWE-Konzern auch auf die Bereitschaft des Kunden, den Versicherungsvertrag schlussendlich abzuschließen, eingewirkt. Mit dem Erwerb der „Versicherungsbox“ habe sich der Kunde bereits in der Vertragsanbahnungsphase befunden.

 

Das Landgericht Wiesbaden verurteilte den REWE-Konzern dazu, es künftig zu unterlassen, in der bisherigen Form den Abschluss von Versicherungsverträgen anzubieten bzw. Versicherungspakete zu bewerben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

 

 

Münster, 25.06.2008

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungssrecht