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Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen durch fachunkundige Laien?

Die gesetzlichen Krankenversicherungen vermitteln private Zusatzversicherungen – sei es eine Zahnersatzversicherung oder etwa eine Zusatzversicherung für die Chefarztbehandlung. Dies ist von der Politik ausdrücklich so gewollt. Auf diese Weise soll der Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen gefördert werden.

Aus Sicht der Versicherungsvermittler stellt sich die Frage, ob dies wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Die Versicherungsvermittler selbst müssen einen Fachkundenachweis erbringen, eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten und sich nach § 34 d der Gewerbeordnung (GewO) in einem Vermittlungsregister registrieren lassen. Ohne gewerberechtliche Erlaubnis dürfen sie nicht auf dem Markt auftreten.

Die Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenkassen müssen weder ihre Fachkunde nachweisen noch eine Haftpflichtversicherung unterhalten oder sich gar als Versicherungsvermittler registrieren lassen. In den sozialrechtlichen Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung mögen die Mitarbeiter der Gesundheitskassen Spezialisten sein; im Bereich der privaten Krankheitskostenversicherung, die gänzlich anderen Regeln und Prinzipien folgt, sind sie in der Regel blutige Laien.

Hierin liege aber weder eine Ungleichbehandlung noch eine Wettbewerbsverzerrung – so das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Urt. v. 04.09.2012 – 6 U 20/11 -.

Der Gesetzgeber habe in § 195 Abs. 1 a SGB V ausdrücklich angeordnet, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen private Zusatzversicherungen vermitteln dürfen. Bei dieser Vorschrift aus dem gesetzlichen Krankenversicherungsrecht handele es sich um eine spezialgesetzliche Regelung zu § 34 d GewO. Die Vorschriften für den „normalen“ Versicherungsvermittler nach der Gewerbeordnung würden deshalb für die Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht gelten.

Geschützt werden muss also der Verbraucher nur vor den privatwirtschaftlich agierenden Vermittlern, nicht hingegen vor den Mitarbeitern einer öffentlichen Gesundheitskasse obwohl erstere zumindest ihre Sachkunde unter Beweis stellen müssen?

Bedenklich ist die Feststellung des Gerichtes auch deshalb, weil die Vorschriften der Gewerbeordnung für die Versicherungsvermittler letztlich nur der Umsetzung der europarechtlichen Vermittlerrichtlinie darstellen. Die EU-Vermittlerrichtlinie schreibt vor, dass die Vermittler von Versicherungen über angemessene Kenntnisse und Fertigkeiten im Versicherungsrecht und in der Versicherungswirtschaft verfügen müssen. Ebenso fordert die Vermittlerrichtlinie, dass die beruflichen Anforderungen an die Versicherungsvermittler durch staatliche Stellen überprüft werden. An beiden Voraussetzungen fehlt es bei den Mitarbeitern der gesetzlichen Krankenversicherungen. Gleichwohl ist das Gericht nicht der Frage nachgegangen, ob denn die Vorschrift des § 194 Abs. 1 a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt europarechtskonform und wirksam ist. Wenn diese Frage zu verneinen wäre, dürfte es auch keine Vermittlung privater Zusatzversicherungen durch die gesetzlichen Krankenkassen mehr geben.

Das Urteil ist zur Überprüfung beim Bundesgerichtshof vorgelegt worden. Eine Entscheidung der Karlsruher Richter bleibt zuzuwarten.

Münster, 02.10.2012

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt