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Versicherungsrecht: Anspruch auf Krankentagegeld auch bei Arbeitslosigkeit

Der private Krankenversicherer muss das vereinbarte Krankentagegeld auch dann auszahlen, wenn der Versicherungsnehmer arbeitslos ist. Zwar sehen die Versicherungsbedingungen regelmäßig vor, dass Arbeitslose in der privaten Krankentagegeldversicherung nicht aufgenommen werden und der Anspruch auf Krankentagegeld bei Arbeitslosigkeit erlischt. Auf diese Klausel kann sich der Versicherer im Versicherungsfall jedoch nicht berufen (BGH Urt. v. 27.02.2008 - IV ZR 219/06 -).

Die Krankentagegeldversicherung verspricht Schutz gegen Verdienstausfall infolge von Krankheiten oder Unfällen. Versicherungsfähig sind daher grundsätzlich nur selbständige und Arbeitnehmer mit einem festen Arbeitsverhältnis.

Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer eine private Krankenversicherung sowie eine Krankentagegeldversicherung. Mit 54 Jahren wurde er arbeitslos. Aufgrund des geringeren Einkommens konnte der Versicherungsnehmer nur niedrigere Beiträge zahlen. Deshalb stellte er rund 10 Monate, nachdem er arbeitslos wurde, die private Krankenversicherung auf einen geringeren Versicherungsschutz und damit geringere Prämien um. Die Krankentagegeldversicherung blieb unverändert. Ca. ein Jahr nachdem der Versicherungsnehmer arbeitslos geworden war, erlitt er einen Ski-Unfall. Dadurch wurde er arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte über ein Jahr an. Rund drei Monate nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeitsphase fand der Versicherungsnehmer wieder eine Arbeitsstelle.

Der Versicherer weigerte sich, das vereinbarte Krankentagegeld zu zahlen. Mit Eintritt der Arbeitslosigkeit sei der Versicherungsschutz bedingungsgemäß erloschen. Zweck der Krankentagegeldversicherung sei es, Erwerbstätige – und damit nicht Arbeitslose – vor den Unbillen eines Unfalls oder einer Krankheit zu schützen. Der Versicherungsfall trete bei Arbeitsunfähigkeit ein. Arbeitslose seien nicht arbeitsunfähig, sondern gerade ohne Arbeit.

Dies sah der Bundesgerichtshof anders. Der Versicherer könne sich auf die Arbeitslosigkeits-Klausel nicht berufen. Diese benachteilige den Versicherungsnehmer und sei daher unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligung liege insbesondere dann vor, wenn der Zweck des Krankentagegeldversicherungsvertrages gefährdet werde. Zweck der Krankentagegeldversicherung sei es, erwerbstätige Personen sozial abzusichern. Dieser Zweck werde bereits dadurch gefährdet, dass automatisch mit Eintritt der Arbeitslosigkeit der Versicherungsschutz erlösche. Dem Versicherungsnehmer – gerade im fortgeschrittenen Alter – sei es wirtschaftlich kaum möglich, bei einem anderen Versicherer eine vergleichbare Krankentagegeldversicherung zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen abschließen zu können. Dem habe der verklagte Versicherer zwar dadurch Rechnung getragen, dass er mit Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht das Vertragsverhältnis insgesamt beende, sondern dieses in eine Anwartschaftsversicherung umwandle. Bei Beendigung der Arbeitslosigkeit könne der Versicherungsnehmer sich in der Krankentagegeldversicherung wieder versichern. Dies sei jedoch nicht zureichend, um den sozialen Sicherungszweck der Krankentagegeldversicherung aufrecht zu erhalten. Der Schutz gegen Verdienstausfall bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Unfall sei für den Versicherungsnehmer von existentieller Bedeutung. Dem Versicherungsnehmer auch nur bei kurzer Arbeitslosigkeit den Versicherungsschutz zu versagen, hieße, den existentiellen Schutzzweck der Krankentagegeldversicherung leerlaufen zu lassen. Zumindest in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer sich ernsthaft um eine neue Erwerbstätigkeit bemühe, sei er nicht nur schutzbedürftig sondern auch schutzwürdig. Die Gefahr, dass Arbeitslose ihre Erwerbslosigkeit über eine Krankentagegeldversicherung finanzieren, bestünde nicht. Den berechtigten Interessen des Versicherers sei bereits dann Rechnung getragen, wenn die Versicherungsfähigkeit des Versicherungsnehmers dann ende, wenn sich der Versicherte nicht ernsthaft um die Aufnahme einer neuen Tätigkeit bemüht oder sich seine Bemühungen aus anderen Gründen als aussichtslos darstellen.

Münster, 23.04.2008

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht