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Rechtsschutz: Nicht ins Bockshorn jagen lassen! Sie haben das Recht auf freie Anwaltswahl!

Der Bürger hat ein Recht auf freie Anwaltswahl. Dies ist nicht nur im anwaltlichen Berufsrecht (§ 3 Abs. 3 BRAO) festgehalten, sondern gilt auch als verbrieftes Recht gegenüber den Rechtsschutzversicherungen (§ 127 VVG). Das Recht der freien Anwaltswahl schützt das persönliche Vertrauen des Rechtssuchenden in seinen Anwalt. Nur wer seinen Anwalt frei gewählt hat, kann sicher sein, dass sein Anwalt frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter ist und handelt. Die Unabhängigkeit des frei gewählten Anwaltes gewährleistet dem Bürger Waffengleichheit gegenüber Unternehmens- und Staatsgewalt sowie wirksames rechtliches Gehör.

Der Bundesgerichtshof zählt das Recht, den Anwalt frei zu wählen, zu den tragenden Säulen des Rechtsstaates. Deshalb sieht er dieses Recht verletzt, wenn ein Mieterverein seinem Mitglied einen „Vertragsanwalt“ vorgibt. Die Interessen des Mietervereins und des einzelnen Mitglieds sind nicht zwingend deckungsgleich. Zum Schutz des Vertrauens in die persönliche und fachliche Eignung des Anwaltes muss auch das Mitglied eines Mietervereins sich seinen Anwalt frei wählen können (BGHZ 109, 153).

Ob sich Rechtsschutzversicherte – ebenso wie Mitglieder eines Mietervereins – in der Rechtswirklichkeit tatsächlich noch ihren Anwalt frei auswählen können, mag mit Fug und Recht bezweifelt werden. Seit Jahren versuchen die Rechtsschutzversicherungen von der Rolle des bloßen Kostenerstatters in die Rolle des Rechtsdienstleisters zu schlüpfen. Sie werben damit, ihre Kunden durch den Rechtsfall über telefonische Rechtsberatungen und konkrete Anwaltsempfehlungen hindurch „zu navigieren“. Dem Kunden wird dies als Serviceleistung verkauft. Tatsächlich geht es um Kosteneinsparungen.

Was der Versicherer nicht verrät ist, dass die empfohlenen Anwälte über Rationalisierungsabkommen an den Versicherer gebunden sind. Mit diesen Rationalisierungsabkommen verpflichten sich die Anwälte, ihre Gebühren auf dem niedrigsten Level abzurechnen. Sie tun dies in der Erwartung, von dem Versicherer möglichst viele Fälle übertragen zu bekommen. Ob die von der Versicherungswirtschaft (unter)bezahlten und empfohlenen „Vertrauensanwälte“ tatsächlich noch im Lager des Rechtssuchenden stehen, mag der Volksmund nach der guten alten Regel „Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing´!“ bezweifeln. Der Interessenkonflikt wird dem Kunden gar nicht erst deutlich. Ausweislich einer von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebenen Studie, sind viele Kunden sogar froh, dass ihnen die Qual der Wahl eines Anwaltes abgenommen wird. Sie sehen sich durch die telefonische Rechtsberatung und die Anwaltsempfehlung gut „bedient“. In Wirklichkeit erhalten sie nur ein Mac-Produkt.

Lassen Sie sich also von Ihrem Versicherer nichts ins Bockshorn jagen. Wenn Ihnen die Versicherung telefonisch nahelegt, lediglich einen von ihr empfohlenen Anwalt zu wählen, handelt die Versicherung aus ureigenem Kosteninteresse. Sie haben das gesetzliche Recht auf die freie Anwaltswahl! Nutzen Sie dieses!

Münster, 18.10.2011

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht