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Berufsunfähigkeit: Herzchirurg kann auf jede zulässige Tätigkeit als Arzt verwiesen werden

Ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung eine sog. Ärzteklausel vereinbart, so kommt es für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit darauf an, ob der Versicherte eine zulässige Tätigkeit als Arzt noch ausüben kann. Die Ärzteklausel stellt nicht auf die zuletzt konkret ausgeübte ärztliche Tätigkeit, sondern auf ein sehr allgemeines Berufsbild ab. Selbst wenn der Arzt auf dem von ihm praktizierten Fachgebiet - hier: Herzchirurgie - nicht mehr tätig sein kann, liegt nicht unweigerlich ein Fall der Berufsunfähigkeit vor - so ein im Mai 2006 durch das Oberlandesgericht München bestätigtes Urteil des Landgerichtes München (Urt. v. 11.10.2005 - 23 O 16706/04 -).

Der klagende Arzt war zuletzt als geschäftsführender Oberarzt und Herzchirurg tätig. Er hatte eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Ärzteklausel abgeschlossen. Danach ist berufsunfähig, wer eine für ihn zulässige Tätigkeit als Arzt nicht mehr ausüben kann. Nach einem Arbeitsunfall konnte der Arzt nicht mehr als Herzchirurg tätig sein.

Das Landgericht wies die Klage ab. Berufsunfähigkeit liege nicht schon deshalb vor, weil der Arzt nicht mehr als Herzchirurg tätig sein könne. Die vereinbarte Ärzteklausel knüpfe gerade daran an, dass der versicherte Arzt nicht mehr allgemein als Arzt tätig werden kann, nicht hingegen auf die zuletzt konkret ausgeübte, ärztliche Tätigkeit. Die Versicherung dürfe den Kläger deshalb auf jede für den Arzt zulässige Tätigkeit als Arzt verweisen - etwa eine gutachterliche Tätigkeit bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen, eine Tätigkeit in einem anderen administrativen Bereich, in die Forschung oder in die Lehre. Auch derartige Tätigkeiten seien vom Berufsbild eines Arztes umfasst. Das Berufsbild des Arztes sei nicht auf die praktische Ausübung der Heilkunde am Patienten beschränkt.

Ob Stellen für Verweisungstätigkeiten (Medizinischer Dienst etc.) frei sind, ist für die Entscheidung über den Versicherungsfall unerheblich. Der Versicherer versichert nicht das Arbeitsplatzrisiko, sondern allein die Berufsunfähigkeit.

Ärzte sind daher gut beraten, keine Ärzteklausel zu vereinbaren. In der klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung wird auf die zuletzt ausgeübte, konkrete Tätigkeit abgestellt. Hier fällt es erheblich leichter, auf die fachspezifische Tätigkeit des Arztes abzuheben. Günstig fährt, wer eine sog. Tätigkeitsklausel vereinbart. Dies bieten einige Versicherer an. Über die Tätigkeitsklausel kann die ärztliche Tätigkeit auf einem bestimmten Fachgebiet versichert werden. Naturgemäß sind derartige Versicherungen teurer als Versicherungen mit einer Ärzteklausel.

Münster, 02.10.2006

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt