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Berufsunfähigkeitsversicherung: Keine Unterlagen – keine Rente

Wer nur unvollständige Unterlagen bei seinem Berufsunfähigkeitsversicherer hereinreicht, kann nicht damit rechnen, in den Genuss einer BU-Rente zu gelangen. Für selbständige Versicherte bedeutet dies, dass sie aussagekräftige, betriebswirtschaftliche Unterlagen vorlegen müssen, um den Nachweis für ihre Berufsunfähigkeit führen zu können. Das Recht des Selbständigen auf informationelle Selbstbestimmung (Betriebsgeheimnis) hat hinter dem Aufklärungs- und Prüfungsinteresse des Versicherers zurückzutreten (OLG Köln, Urt. v. 14.06.2007 – 5 U 28/07).

Der Versicherte muss nachweisen, dass er berufsunfähig ist. Er muss die dementsprechenden Informationen und Unterlagen beim Versicherer hereinreichen. Zum Nachweis der Berufsunfähigkeit bei Selbständigen gehört es, dass sie dartun, ihren eigenen Betrieb nicht so umorganisieren zu können, dass sie trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen den Betrieb fortführen können. So muss etwa ein Dachdeckermeister darlegen, dass, wenn er sich auf Akquise und Bürotätigkeit beschränkt und ggf. einen weiteren Gesellen oder Meister einstellt, der Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Hierzu ist es grundsätzlich erforderlich, aussagekräftige betriebswirtschaftliche Unterlagen (Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, betriebswirtschaftliche Auswertungen etc.) bezogen auf einen Zeitraum von 3 bis 4 Jahren bei dem Versicherer hereinzureichen.

Der versicherte Selbständige war nur punktuell bereit, Unterlagen über die wirtschaftliche Situation seines Betriebes vorzulegen. Der Versicherer verlangte jedoch weitergehende Daten und Unterlagen. Demgegenüber berief sich der Versicherte auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Wahrung seines Betriebsgeheimnisses. Er müsse lediglich die Daten und Unterlagen offen legen, welche den Versicherer in die Lage versetzen, prüfen zu können, ob der Versicherungsfall vorläge oder nicht. Aus seiner Sicht ähnelte sein Fall dem Fall dem einer Beamtin, welche sich dagegen verwahrt hatte, eine allumfassende Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht abzugeben. Der Beamtin, die ebenfalls in den Genuss einer Berufsunfähigkeitsrente kommen wollte, gab schlussendlich das Bundesverfassungsgericht (VersR 2006, 1669) Recht. Die Beamtin könne sich auf den Standpunkt stellen, zunächst nur eine punktuelle Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hinsichtlich der aktuell behandelnden Ärztin zu erteilen. Eine generelle Entbindungserklärung für alle Ärzte und Krankenhäuser müsse sie nicht abgeben. Dies verletze ihre Grundrechte. Wenn der Versicherer mehr Informationen benötigte, müsste er dies plausibel darlegen und dann weitere, konkrete Erklärungen zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht verlangen.

Dies müsse auch für Ihn gelten, meinte der versicherte Selbständige. Die eingereichten Unterlagen seien aussagekräftig genug. Plausible Gründe, warum der Versicherer hier weitergehende Informationen für die Jahre 2000 bis 2004 bräuchte, hätte der Versicherer nicht dargetan.

Das OLG Köln folgte der Argumentation des Versicherten nicht. Der Versicherer sei zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen auf die betriebswirtschaftlichen Unterlagen angewiesen. Schon deshalb liege kein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Er habe ein berechtigtes Interesse daran, vollständige Angaben über die wirtschaftliche Situation des Betriebs zu erhalten. Bei Betrieben sei es regelmäßig erforderlich, einen längeren Zeitraum unter die Lupe zu nehmen. Die Umsatz- und Gewinnentwicklung des Betriebes müsse unter Berücksichtung der wirtschaftlichen Schwankungen auf den relevanten Märkten betrachtet werden können. Regelmäßig sei auf einen Zeitraum von 3 bis 4 Jahren abzustellen. Wenn der Versicherer Unterlagen, beschränkt auf die Jahre 2000 bis 2004 und damit konkret bezogen auf einen Zeitraum, der für die Beurteilung des in gesunden Tagen Selbständigen maßgebend sei, verlange, verlange er nichts Unbotmäßiges. Es bleibe dem Versicherten zwar unbenommen, die Unterlagen nicht zu übergaben. Dann müsse er jedoch mit den Konsequenzen leben. Der ihm obliegende Nachweis der Berufsunfähigkeit sei dann nicht erbracht. Einen Anspruch auf Zahlung der BU-Rente habe er dann nicht.

Der versicherte Selbständige klagte vergeblich auf Zahlung der BU-Rente.

Münster, 23.09.2008

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht