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Berufsunfähigkeitsversicherung: AU ungleich BU

Selbst wer über Jahre hinweg arbeitsunfähig krank geschrieben ist, hat nicht denknotwendig Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Versicherte muss vielmehr nachweisen, dass er aus gesundheitlichen Gründen zu 50% nicht mehr in der Lage ist, seiner zuletzt konkret ausgeübten Tätigkeit nachzugehen. Zweifel an der Feststellung der medizinischen Voraussetzungen gehen zu Lasten des Versicherten (OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 18.01.2008 – 3 U 171/06 -).

Der Versicherte war jahrelang als Außendienstler in verschiedenen Branchen tätig. Seit 1999 betrieb er als Selbständiger ein Sicherheitsgewerbe. Er ist seit Anfang 2000 ununterbrochen krank geschrieben. Der Versicherte klagt über Schmerzen im Bereich der Beine, Bewegungsstörungen beider Hände, Instabilitätsgefühle sowie ein diffuses Körperkribbeln. Seit März 2001 bezieht er von der BfA eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Von seinem privaten Berufsunfähigkeitsversicherer begehrte er die Zahlung einer zusätzlichen BU-Rente. Der Versicherer lehnte die Zahlungsansprüche ab. Die Schmerzsymptomatik könne mit einem organischem Befund nicht erklärt werden. Eine psychosomatische Störung hätten die Ärzte ebenfalls nicht feststellen können.

Der Versicherte verklagte daraufhin seinen Versicherer. Das OLG Frankfurt a. M. wies die Ansprüche des Versicherten zurück. An die Feststellungen der BfA hinsichtlich der Zahlung einer gesetzlichen Erwerbsminderungsrente sei der private Versicherer nicht gebunden. Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente und die private Berufsunfähigkeitsversicherung unterlägen vollständig unterschiedlichen Maßstäben. Es sei Sache des Versicherten, nachzuweisen, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Diesen Nachweis habe der Versicherte nicht erbringen können. Mögliche Zweifel an der Annahme einer Berufsunfähigkeit gingen zu seinen Lasten. Ein sachverständiger Orthopäde konnte die Schmerzensymptomatik mit organischen Befunden nicht erklären. Daraufhin wurde noch ein Neurologe und Psychiater als Sachverständiger hinzugezogen. Dieser konnte eine psychosomatische Störung als Ursache der Schmerzen nicht mit Sicherheit feststellen. Er könne jedoch die Möglichkeit einer Erkrankung nicht ausschließen. Eine derartige Verdachtsdiagnose genüge nicht dem Beweismaßstab, welcher für den Nachweis einer Berufsunfähigkeit erforderlich ist. Das Ergebnis der Gutachter müsse einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit erreichen, um das Gericht von einer Berufsunfähigkeit zu überzeugen. Dieser Grad sei hier gerade nicht erreicht. Eine bloße Verdachtsdiagnose reiche nicht aus. Die nicht auszuschließende Möglichkeit einer Erkrankung stelle gerade keine ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit dar. Es sei zumindest eine 80 bis 90%ige Sicherheit im naturwissenschaftlichen Sinne erforderlich.

Ferner müssten weder weitere Gutachten eingeholt noch ein sog. Symptomvalidierungstest durchgeführt werden. Der Versicherte selbst habe eine Feststellung der Schmerzsymptomatik durch seine dramatisierende und übertreibende Darstellung seiner Schmerzen vereitelt oder zumindest beeinträchtigt. Dies gehe zu seinen Lasten. Weitere gutachterliche Ausforschungen seien nicht geboten. So habe er etwa vortragen lassen, dass er wegen Beinversagens mehrfach die Treppe hinuntergefallen sei und wegen Black-Outs im Auto zusammengebrochen sei. Dies habe er jedoch nicht zum Anlass genommen, auf seine Fahrerlaubnis zu verzichten. Zu der Untersuchung durch die gerichtlichen Sachverständigen sei er vielmehr selbst und allein mit dem Auto vorgefahren. Es gäbe deutliche Anzeigen für eine Simulation. Bei Simulationsverhalten sei weder der Versicherer noch das Gericht gehalten, aufzuklären, welche anamnestisch angegebenen Beeinträchtigungen tatsächlich einem Krankheitsbild zuzuordnen sind und welche nicht. Der Nachweis der Berufsunfähigkeit sei nicht erbracht.

Im Ergebnis ging der Versicherte leer aus.

Münster, 23.09.2008

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht