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Doppelt gestraft: Gastwirt verliert Versicherungsschutz bei Schutzgelderpressung

Ein Gastronomie-Versicherer muss nicht für Vandalismusschäden aufkommen, nachdem dem Wirt die Zerstörung des Lokals durch Schutzgelderpresser angedroht worden war und er dies dem Versicherer nicht als Gefahrerhöhung angezeigt hat (Bundesgerichtshof Urt. v. 16.06.2010 – IV ZR 229/09 -).

Der Versicherte war früher Inhaber einer Gaststätte. Im Sommer 2007 wurde das Inventar der Gaststätte vollständig zerstört. Der Versicherer zahlte nicht. Er argumentierte, der Gastronom sei bereits seit dem Jahre 2006 Schutzgelderpressungen ausgesetzt gewesen. Dieser gefahrerhöhende Umstand sei dem Versicherer verschwiegen worden. Deshalb sei er leistungsfrei.

Der Gastronom unterhielt seit 2005 eine Gastronomie-Versicherung, welche auch für Sachschäden durch Einbruch, Diebstahl, Vandalismus und Beraubung Versicherungsschutz bot.

Sommer 2006 boten anonyme Anrufer dem Gastwirt „Schutz und Versicherung“ gegen eine monatliche Zahlung von 750,00 € an, „weil immer etwas passieren könne“. Der Wirt zahlte nicht. Im Frühjahr 2007 brachen darauf hin erstmals Unbekannte in das Lokal ein und entwendeten technische Geräte und Bargeld. Diesen Schaden regulierte der Versicherer. Der Gastwirt gab die vorangegangenen Erpressungsversuche nicht an. Die Schutzgelderpresser setzten dem Wirt immer wieder zu. Dieser zahlte auch weiterhin nicht. Im April 2007 wurde das Fahrzeug des Gastwirtes durch Unbekannte erheblich beschädigt. Im Juni 2007 erfolgte ein erneuter Einbruch in die Gaststätte. Dabei wurden wesentliche Teile der Inneneinrichtung – wahrscheinlich mit einer Axt – zerstört und schwarze Lackfarbe im Lokal versprüht. Die Musikanlage und Bargeld wurden gestohlen. Der Gastwirt bezifferte den Schaden auf rund 150.000,00 €.

Der Gastwirt stellte sich auf den Standpunkt, der Versicherer habe ausdrücklich vorsätzliche Vandalismusschäden versichert. Dann aber könne es keine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung darstellen, wenn er einer Schutzgelderpressung ausgeliefert sei. Er selbst sei an Leib und Leben bedroht worden. Versage ihm die Versichertengemeinschaft den Schutz, sei er nicht nur finanziell schutzlos gestellt, sondern auch den kriminellen Drohungen seitens der Schutzgelderpresser hilflos ausgeliefert.

Dieser Argumentation des Gastwirtes vermochten die Bundesrichter nicht zu folgen. Der Bundesgerichtshof meint, der Versicherer habe zu Recht die Schadensregulierung abgelehnt. Das Gesetz verlange vom Versicherungsnehmer, Gefahrerhöhungen anzuzeigen. Komme der Versicherungsnehmer dem nicht nach, verliere er seinen Versicherungsschutz. Dass gefahrerhöhende Umstände angezeigt werden müssen, diene dazu, das bei Abschluss des Versicherungsvertrages zugrunde gelegte Gleichgewicht zwischen Prämienaufkommen und Versicherungsleistung auch während der Vertragslaufzeit aufrecht zu erhalten. Träten nach Vertragsabschluss gefahrerhöhende Umstände ein, müssten beide Parteien es in der Hand haben, den Vertrag dementsprechend anzupassen. Dem Gastwirt hätte dies auch spätestens nach dem ersten Einbruch bewusst sein müssen. Die Erpresser hätten durch den Einbruch und die vorangegangenen Drohungen untermauert, dass sie es Ernst meinten. Dem Gastwirt hätte also klar sein müssen, dass auch weitere Vandalismusschäden drohten. Dies hätte er dem Versicherer anzeigen müssen. Da er dies nicht getan hatte, gehe er leer aus. Seinen Betrieb musste er aufgeben.

Münster, 04.11.2010

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht