Versicherungsrecht
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Beratung über Sozialversicherung durch Versicherungsmakler keine unzulässige Rechtsberatung

Soll der Versicherungsmakler private Altersvorsorgeprodukte – insbesondere in der betrieblichen Altersversorgung – vermitteln, ist er auch dazu berechtigt, über die damit verbundenen sozialversicherungsrechtlichen Fragen zu beraten (OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.2009 – 4 U 113/09 -).

Grundsätzlich ist die Rechtsberatung Rechtsanwälten vorbehalten. Der Rechtsunkundige soll vor unqualifiziertem Rechtsrat geschützt werden. Deshalb ist die reine Rechtsberatung Nichtjuristen grundsätzlich versagt.

Seit jeher steht im Streit, inwieweit Versicherungsmakler Rechtsdienstleistungen erbringen dürfen, welche im Zusammenhang mit ihrer Maklertätigkeit stehen. Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) aus dem Jahre 2008, welches das Rechtsberatungsgesetz von 1935 abgelöst hat, erlaubt dem Nichtjuristen die Rechtsberatung auch dann, wenn es sich um Nebenleistungen der wirtschaftlichen Haupttätigkeit handelt (§ 5 Abs. 1 RDG). § 5 Abs. 1 RDG trägt dem Umstand Rechnung, dass viele gewerbliche Tätigkeiten, deren Schwerpunkt im wirtschaftlichen Bereich liegt, notwendig auch mit rechtsbesorgender Tätigkeit verbunden sind. Nebenleistungen sind daher erlaubnisfrei, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit einer Hauptleistung stehen, deren Schwerpunkt auf nicht rechtlichem Gebiet liegt. Dieser Auffangtatbestand des § 5 Abs. 1 RDG ist weit auszulegen. Es gibt kaum eine wirtschaftliche Tätigkeit, welche nicht denknotwendig mit der Durchdringung rechtlicher Probleme verbunden ist. Recht wird zunehmend komplexer. Die rechtlichen Steuerungselemente durchdringen weitgehend das Wirtschaftsleben. Würde man allen wirtschaftlichen Berufen jedwede rechtsberatende Tätigkeit als Nebenleistung untersagen, würde die Berufsfreiheit der dementsprechenden Berufsgruppen in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt.

Vor diesem Hintergrund hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass der Versicherungsmakler, der eine private Vorsorgeversicherung vermitteln soll, die Notwendigkeit und die Angemessenheit der jeweiligen Verträge für den Kunden prüfen müsse. Dazu gehöre auch die Prüfung, ob und inwieweit die Arbeitnehmer bereits in der gesetzlichen Sozialversicherung abgesichert sind - also inwieweit sie wegen einer Deckungslücke einer weiteren Vorsorge in der betrieblichen Altersvorsorge bedürfen. Ohne diese Prüfung und Beratung könne der Versicherungsmakler seinen Kunden nicht vernünftig über den Abschluss (eventuell ergänzender) privater Vorsorgeprodukte beraten. Dies gelte insbesondere bei der Erarbeitung von Deckungskonzepten in der betrieblichen Altersversorgung.

Das OLG Karlsruhe betont, dass zum Berufsbild des Versicherungsmaklers grundsätzlich eine umfassende Betreuung der Versicherungsangelegenheiten des Kunden gehöre. Der Versicherungsmakler sei Sachwalter der Interessen seines Kunden. Er habe umfassend die Interessen seines Kunden zu wahren. Deshalb komme eine erlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG nicht nur dann in Betracht, wenn es darum gehe, dass der Versicherungsmakler neue Versicherungsverträge vermittle, sondern bereits dann, wenn er von seinem Kunden beauftragt werde, bereits bestehende (nicht von ihm selbst vermittelte Verträge) zu überprüfen (OLG Hamm VersR 1985, 59).

Dem im Schrifttum weit verbreiteten Einwand, die Beratungsbefugnisse des Versicherungsmaklers seien nach § 34 d) Abs. 1 S. 4 GewO beschränkt, geht das OLG Karlsruhe – zu Recht – nicht nach. Die gewerberechtliche Vorschrift, stellt sich nicht als abschließende Regelung dar (Schwintowski VersR 2009, 1333; Lensing ZfV 2009, 16).

Münster, 06.09.2010

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht