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Ein Jahr neues Unterhaltsrecht

Das neue Unterhaltsrecht ist zum 01.01.2008 in Kraft getreten.

Die wichtigsten Eckpunkte des neuen Unterhaltsrechts für Eltern sind kurz zusammengefasst:

  • Kinder haben im neuen Unterhaltsrecht Vorrang vor allen anderen Unterhaltsberechtigten. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen ehelichen und unehelichen Kindern. Wenn nicht genug Geld da ist, um die Ansprüche aller Unterhaltsberechtigter zu bezahlen, werden die Ansprüche entsprechend der neuen Rangfolge nach und nach erfüllt. Im zweiten Rang auf die Kinder folgen Eltern, die Kinder des Unterhaltspflichtigen versorgen. Sie sind an der Reihe, wenn die Kinder Unterhalt erhalten haben und noch Geld übrig ist.
  • Das neue Gesetz unterscheidet nicht zwischen unverheirateten und geschiedenen Eltern, wenn beide Kinder betreuen! Alle kinderbetreuenden Elternteile haben jetzt Anspruch auf Betreuungsunterhalt für zumindest drei Jahre ab Geburt des Kindes, ggf. auch darüber hinaus, wenn dies der "Billigkeit" entspricht.

Für die Frage des zu zahlenden Betreuungsunterhalts an den betreuenden Elternteil kommt es entscheidend auf die Betreuungsmöglichkeiten in Kindergärten und Schulen am Wohnort des Kindes an. Nur wenn eine vorübergehende Fremdbetreuung möglich ist, kann von dem Elternteil in dieser Zeit verlangt werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um - zumindest teilweise - für sich selbst zu sorgen. Auch Fragen, ob dem Kind eine Fremdbetreuung zuzumuten ist, spielen im neuen Unterhaltsrecht eine wichtige Rolle. Wenn etwa ein Kind nach einer schwierigen Trennung mehr Zuwendung braucht, kann in Einzelfällen ein verlängerter Betreuungsunterhalt zuerkannt werden.

Ein häufig vorkommender Streitpunkt seit Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts war und ist die Frage, in welchem Umfang der betreuende Elternteil mit dem dritten Lebensjahr des gemeinsamen Kindes eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann. Das Gesetz liefert auf diese Frage keine klare Antwort. Vielmehr verlangt es eine Billigkeitsabwägung im Einzelfall. Inzwischen hat es einige Entscheidungen gegeben, die klar hervorheben, dass einem Elternteil, das ein Kind im Kindergarten bzw. Grundschulalter betreut, allenfalls eine Teilzeitbeschäftigung zugemutet werden kann. Diese Tätigkeit ist mit zunehmendem Alter des Kindes ggf. bis hin zu einer vollschichtigen Tätigkeit auszudehnen. Als entscheidender Zeitpunkt wird vielfach das Ende des ersten Jahres auf einer weiterführenden Schule betrachtet. Werden mehrere minderjährige Kinder betreut, so wird die Verpflichtung zur Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit zu einem weitaus späteren Zeitpunkt angenommen. Die Rechtsprechung achtet in den allermeisten Fällen mit Augenmaß darauf, was zumutbar ist und was nicht. Die Billigkeitsgesichtspunkte im Gesetz, die den Ausgang eines Gerichtsverfahrens so unsicher machen, wirken sich im Regelfall zugunsten des betreuenden Elternteils aus. Eine alleinerziehende Mutter von Kindern im Alter von 5, 9 und 12 Jahren hat einen Fulltimejob. Ihr wird man kaum eine Vollzeittätigkeit abverlangen. Befürchtungen, dass Unterhaltszahlungen an den betreuenden Elternteile mit Eintritt des dritten Lebensjahres des Kindes komplett eingestellt werden können, haben sich somit nicht bestätigt.

Dennoch hat das neue Unterhaltsrecht dazu geführt, dass Ehegatten, die Kinder betreuen, der Unterhalt früher als bisher gekürzt wird - außer sie belegen präzise, dass sie nicht arbeiten können, obwohl sie ihre Kinder betreuen lassen können.

Ein Effekt, der durchaus gewollt ist. Die Reform ist die Reaktion auf eine neue Familienwelt, in der es immer weniger "Hausfrauenehen" und immer mehr "Patchwork-" und Zweitfamilien gibt. Sie stärkt vor allem die, die nicht für sich selbst sorgen können: Kinder. Aber auch Zweitfamilien, die unter hohen Unterhaltszahlungen an geschiedene Ehegatten leiden, profitieren von der Reform.

Münster, 05.02.2009

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht