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Vaterschaftsanfechtungsklage aufgrund eines heimlichen Gutachtens

Vorbemerkung:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt Urteil vom 30.10.2002, Aktenzeichen: XII ZR 345/00) reicht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage des Ehemannes das Vorbringen, er sei nicht der Vater des beklagten Kindes und seine Vaterschaft könne durch Sachverständigengutachten ausgeschlossen werden, nicht aus. Der Kläger muss vielmehr Umstände vortragen und notfalls beweisen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken. Es muss also der begründete Anfangsverdacht bestehen, dass das Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt.

Durch diese Anforderungen an das Klägervorbringen soll vermieden werden, dass das Kind ohne konkreten Anlass mit einer Vaterschaftsanfechtungsklage überzogen wird. Das Kind soll vor den Unannehmlichkeiten geschützt werden, die mit der gerichtlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Abstammung verbunden wären. Schließlich ergeben sich diese Anforderungen auch aus dem Gesetz. Die Vaterschaft kann nur binnen einer Frist von 2 Jahren gerichtlich angefochten werden, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.

Der Fall:

Das Oberlandesgericht Celle hatte nun die Frage zu entscheiden, ob das von dem Vater heimlich eingeholte DNA-Abstammungsgutachten einen Anfangsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage in vorgenanntem Sinne begründet. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hatte die einem Kaugummi anhaftende Speichelprobe ohne Zustimmung der alleinsorgeberechtigten Mutter untersuchen lassen. Gestützt auf diesen Vaterschaftstest hat er die anerkannte Vaterschaft angefochten.

Das Oberlandesgericht Celle hat in seinem Urteil (v. 29.10.2003, Aktenzeichen: 15 UF 48/03, noch nicht rechtskräftig, Revision wird vor dem BGH unter dem Aktenzeichen: XII ZR 227/03 geführt) die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt, wonach das Ergebnis des vorgelegten DNA-Vaterschaftsnachweises nicht geeignet ist, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken.

Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der vorgelegte Vaterschaftsnachweis keine Identitätsfeststellung der untersuchten Personen enthielt. Würde ein solcher Privat eingeholter Vaterschaftstest ohne Identitätsnachweis für einen hinreichenden Anfangsverdacht ausreichen, könnte jeder Kläger seinem Auftrag für einen Vaterschaftstest Proben beliebiger Personen, die nicht miteinander verwandt sind, beifügen, um die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Vaterschaft zu erhalten.

Darüber hinaus sei das Ergebnis des heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftsnachweises prozessual nicht zu verwerten, weil das genetische Material der Beklagten in rechtswidriger Weise erlangt worden sei. Der heimlich eingeholte private Vaterschaftsnachweis verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Aus diesem Recht folgt die Befugnis des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden. Ein privater Vaterschaftstest bedürfe daher der Einwilligung des durch die Untersuchung Betroffenen. Da im zu entscheidenden Fall das beklagte Kind minderjährig und noch nicht einwilligungsfähig war, war die Einwilligung des Sorgeberechtigten erforderlich. Durch die heimliche Vornahme der Untersuchung habe der Kläger die Einwilligung der sorgeberechtigten Mutter des Beklagten unterlaufen und dadurch deren Sorgerecht verletzt. Das Recht des klagenden Vaters müsse hinter den Interessen des Kindes und denen des Sorgeberechtigten zurücktreten.

Anmerkung:

Wird eine Vaterschaftsanfechtungsklage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keine Umstände dargetan, die Zweifel an seiner Vaterschaft begründen könnten, wird dadurch nicht rechtskräftig über die Abstammung selbst entschieden. Derselbe Kläger könnte daher eine zweite Anfechtungsklage erheben, wenn er seinen Anfangsverdacht auf neue, nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses hervorgetretene Umstände stützt.

Münster, 01.07.2004