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Zur Wirksamkeit eines notariellen Ehevertrages

Der Bundesgerichtshof hatte mit seinem Urteil vom 11.02.2004 - XII ZR 265/02 - über die Wirksamkeit eines während der Ehezeit geschlossenen notariellen Ehevertrages zu entscheiden. Die Ehefrau hatte im Verfahren nachehelichen Unterhalt geltend gemacht, obwohl sie während der Dauer der Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen waren, mit ihrem Ehemann Gütertrennung vereinbart, den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Unterhalts der Ehefrau wegen Kinderbetreuung verzichtet hatte.

Der Bundesgerichtshof betont, es stehe den Ehegatten grundsätzlich frei, die gesetzlichen Regelungen über den Zugewinn, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt ehevertraglich auszuschließen. Allerdings dürfe der Schutzzweck dieser Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden. Die Grenze sei dort zu ziehen, wo die vereinbarte Lastenteilung der individuellen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse in keiner Weise mehr gerecht werde, weil sie evident einseitig sei und für den belastenden Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheine. Das sei umso eher der Fall, je mehr der Ehevertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgerechts eingreife. Zum Kernbereich gehöre ebenfalls der Unterhalt wegen Kindesbetreuung und der Alters- und Krankheitsunterhalt. Insoweit stehe der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt auf gleicher Stufe wie dieser selbst und sei daher nicht uneingeschränkt ausschließbar. Demgegenüber unterliege der Ausschluss des Zugewinnausgleichs für sich allein genommen angesichts der Wahlfreiheit des Güterstandes keiner Beschränkung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Eheverträge künftig in zwei Schritten zu prüfen: Unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages ist bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten vorzunehmen, insbesondere also hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse und ihres geplanten oder bereits verwirklichten Lebenszuschnitts. Sittenwidrigkeit soll nur dann in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgerechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt werden. Sollte sich ein Ehevertrag als sittenwidrig erweisen, so treten an dessen Stelle die gesetzlichen Regelungen. Unter dem Aspekt von Treu und Glauben ist zudem zu prüfen, ob und inwieweit die Berufung auf den Ausschluss gesetzlicher Scheidungsfolgen angesichts der aktuellen Verhältnisse missbräuchlich erscheint und deshalb das Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand des Vertrages nicht mehr schutzwürdig ist.

In der Praxis bedeutet dies, dass bei Abschluss des Ehevertrages im Einzelnen die individuellen Verhältnisse der Ehegatten im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und ihres geplanten oder bereits verwirklichten Lebenszuschnitts untersucht werden müssen. Will sich ein Ehegatte später nicht mehr an dem Ehevertrag festhalten lassen, so wird in diesem Zeitpunkt zu prüfen sein, wie sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute entwickelt haben und warum es möglicherweise missbräuchlich ist, sich nachträglich auf den geschlossenen Ehevertrag zu berufen.

Auch ohne aktuellen Anlass können geschlossene Eheverträge vom Anwalt auf ihre Wirksamkeit nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geprüft werden, um diese ggf. nachträglich anzupassen.

Münster, 01.03.2004