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Heimlicher Vaterschaftstest

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 13.02.2007 (Az. 1 BvR 421/05) nunmehr endgültig festgestellt, dass es dem Grundgesetz entspricht, wenn Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen. Allerdings hat es zugleich dem Gesetzgeber aufgegeben, zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verwertbarkeit eines heimlichen, ohne Zustimmung des betroffenen Kindes oder seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin zur Klärung der Vaterschaft eingeholten DNA-Gutachtens im Vaterschaftsanfechtungsverfahren. Der Beschwerdeführer hatte kurz nach der Geburt des später beklagten Kindes im Jahr 1994 wirksam anerkannt, dessen Vater zu sein. Im Jahr 2001 erhob er eine Vaterschaftsanfechtungsklage, bei der er sich auf ein Gutachten stützte, dass ihm eine auf 10 % verminderte Zeugungsfähigkeit attestiert hatte. Das Begehren blieb erfolglos. Im Jahr 2002 holte der Beschwerdeführer ohne Kenntnis der Mutter des Kindes bei einem privaten Labor ein gendiagnostisches Gutachten ein, dem als Untersuchungsmaterial sein Speichel und ein nach seiner Angabe vom Kind benutztes Kaugummi zugrunde lagen. Gestützt auf das Gutachten, wonach er als Vater zu 100 % auszuschließen sei, erhob er erneut Vaterschaftsanfechtungsklage. Die Klage blieb ohne Erfolg. Die Zivilgerichte hatten die Verwertbarkeit des Gutachtens aus dem Jahr 2002 als Beweismittel abgelehnt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt neben dem Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes auch die Verwirklichung dieses Rechts. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb der Gesetzgeber gehalten, einen Verfahrensweg zu eröffnen, auf dem das Recht auf Kenntnis der Abstammung in angemessener Weise geltend gemacht und durchgesetzt werden kann. Das derzeitige Vaterschaftsanfechtungsverfahren biete diese Möglichkeit nur in unzureichender Hinsicht. Dies ändert aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nichts an der Tatsache, dass ein ohne Einwilligung eingeholtes Vaterschaftsgutachten unter Verwendung von Genmaterial des Kindes auf einer nicht zu rechtfertigenden Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung beruht und deshalb unzulässig ist. Denn zur verfassungsrechtlich geschützten elterlichen Sorge gehöre es auch, im Interesse des Kindes darüber zu entscheiden, ob jemand genetische Daten des Kindes erheben und verwerten darf.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber nunmehr aufgeben, bis zum 31.03.2008 eine Regelung zur Festlegung der Abstammung eines Kindes zu seinem Vater in einem rechtsförmlichen Verfahren zu treffen. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren läuft inzwischen. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung sind Väter, die einen Vaterschaftstest erzwingen wollen, aber weiterhin auf das alte Anfechtungsverfahren angewiesen.

Münster, 25.06.2007

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht