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Ferienregelung und Übernachtung bei einem dreijährigen Kind

Umgangsregelungen, die dem Vater eines dreijährigen Kindes Übernachtungs- und Ferienumgänge versagen, können eine Verletzung des Elternrechts darstellen (Bundesverfassungsgericht, 26.09.2006, 1 GVR 1827/06).

In dem zu entscheidenden Fall streiten die getrennt lebenden Kindeseltern, die ca. 130 km voneinander entfernt wohnen, um den Umgang des Kindesvaters mit dem im Jahr 2003 geborenen Sohn. Das Amtsgericht hat dem Kindesvater ein Umgangsrecht alle 14 Tage sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr und ab April 2006 am ersten und dritten Wochenende im Monat vom Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr eingeräumt. Auf die Beschwerde der Kindesmutter und die Anschlussbeschwerde des Kindesvaters hat das Oberlandesgericht den Umgang wie folgt geregelt: Bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes an jeden zweiten Sonntag im Monat vom 10.00 bis 18.00 Uhr und ab Vollendung des vierten Lebensjahres am ersten und dritten Wochenende im Monat von samstags 10.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr, beginnend mit dem Monat Juni 2007. Zusätzlich hat das Oberlandesgericht eine Feiertagsregelung getroffen und ab Einschulung des Kindes einen Ferienumgang angeordnet. Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zurückgewiesen.

Zur Begründung führt es aus, dass eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts nur dann veranlasst ist, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen und körperlichen Entwicklung abzuwehren. Zu beachten sei, ob die konkrete Umgangsregelung im Einzelfall dazu führt, dass der Umgang für den umgangsberechtigten Elternteil unzumutbar und damit faktisch vereitelt wird. Dazu könne es insbesondere kommen, wenn der Umgang aufgrund unterschiedlicher Wohnorte der Eltern nur unter erheblichem Zeit- und Kostenaufwand ausgeübt werden kann.

Das Oberlandesgericht habe nicht begründet, warum eine Anordnung des Ferienumgangs nicht angezeigt ist, solange das Kind noch nicht in die Schule geht. Bezüglich der Übernachtungen fehle es an der nach § 1684 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung. Die Möglichkeit überwiegender Nachteile reiche für die Versagung von Übernachtungen nicht aus. Weiter fehle die Prüfung, welche positiven Auswirkungen Übernachtungsumgänge für das Kind haben können, d. h. ob diese nicht mittelfristig auch zur Entlastung der Situation und des Kindes beitragen könnten.

Nicht geprüft wurde, ob hinsichtlich der Entfernung zwischen den Wohnorten der Eltern auch der Kindesvater die Anordnung kürzerer Umgangsintervalle als unzumutbar empfunden hätte.

Verfahrensrechtlich sei darüber hinaus zu rügen, dass das Oberlandesgericht nicht den tatsächlichen Willen des Kindes ermittelt habe. Diesen Willen hätte das Oberlandesgericht durch eine Anhörung des zum Entscheidungszeitpunktes fast drei Jahre alten Kindes oder aber zumindest durch einen Verfahrenspfleger in Erfahrung bringen können.

Mit dieser Entscheidung setzt das Bundesverfassungsgericht seine frühere Rechtsprechung konsequent fort. Ob die Möglichkeit einer Übernachtung einzuräumen ist, hängt von den individuellen Umständen, der psychischen Gesamtverfassung des Kindes sowie der Intensität der Bindungen an den Umgangsberechtigten und insbesondere auch von dem Alter des Kindes ab.

Besonders bedeutsam erscheint, dass das Bundesverfassungsgericht im Grundsatz die Anhörung eines dreijährigen Kindes als geboten erachtet. Sofern keine persönliche Anhörung stattfindet, dürfte ein Verfahrenspfleger zu bestellen sein. Wichtig ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht einen fairen Umgang grundsätzlich für angezeigt hält. Voraussetzung hierfür dürfte allerdings sein, dass das Kind eine längere Trennung von der Hauptbezugsperson gut verkraftet. Ein längerer Ferienbesuch ist grundsätzlich geeignet, zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Umgangsberechtigtem und Kind beizutragen.

Münster, 25.06.2007

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht