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Verwirkung von Ehegattenunterhalt bei Verschweigen von Einkünften

Verschweigt der Unterhaltsberechtigte im laufenden Prozess Einkünfte, ist der Unterhaltsanspruch auch dann verwirkt, wenn die Einkünfte aus einer sog. überobligatorischen Tätigkeit herrühren (OLG Frankfurt, 16.12.2005, Az.: 1 UF 54/05).

In dem zu entscheidenden Fall ist der Beklagte der geschiedene Ehemann der Klägerin. Beide begehren im Rahmen eines Abänderungsverfahrens mit Klage und Widerklage Änderung des im Scheidungsverbundurteil titulierten Unterhalts. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die im Jahr 2004 14 und 18 Jahre alt waren und bei der Klägerin leben. Der Beklagte ist Polizeibeamter, die Klägerin ist ebenfalls Beamtin und übte seit April 2003 eine Halbtagstätigkeit aus, die sie im Laufe des Jahres 2004 und damit noch vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht auf eine 2/3-Stelle ausweitete, ohne dies dem Beklagten mitzuteilen. Der Beklagte hat sich, nachdem er von der Erweiterung der Erwerbstätigkeit erfahren hat, auf Verwirkung berufen und beantragt Wegfall der Unterhaltspflicht ab dem 01.01.2005. Dem hat das Oberlandesgericht stattgegeben.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hätte die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit nicht verschweigen dürfen, weil ihr bekannt war, dass dies für die Frage ihres Unterhaltsanspruchs von Bedeutung ist. Das Argument, dass es sich um eine überobligationsmäßige Tätigkeit gehandelt hat, greift nicht durch.

Macht eine Partei einen Unterhaltsanspruch in einem Prozess geltend, hat sie alle zur Begründung des Anspruchs dienenden tatsächlichen Umstände wahrheitsgemäß anzugeben und darf nichts verschweigen, was ihre Unterhaltsbedürftigkeit in Frage stellen könnte (BGH FamRZ 2000, 153). Es steht nicht im Ermessen des Bedürftigen, ob einzelne Tatsachen unterhaltsrechtlich relevant sind oder nicht. Diese Prüfung obliegt allein dem Gericht. Aus diesem Grund kann sich der Unterhaltsberechtigte auch nicht darauf berufen, dass seine Erwerbstätigkeit überobligatorisch ist und deswegen unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden darf. Auch dies hat das Gericht zu entscheiden. Macht der Berechtigte daher auch in einer Abänderungsklage unvollständige oder fehlende Angaben zu seinem Einkommen und offenbart er Einkommensveränderungen während des Unterhaltsverfahrens nicht, begeht er einen Prozessbetrug bzw. versuchten Prozessbetrug. Der Versuch des Prozessbetruges beginnt bereits bei der Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht, der bewusst falsche Angaben enthält und für die Unterhaltsberechtigung notwendige Umstände verschweigt (OLG Köln, FamRZ 2003, 678).

Ein Betrug kann auch vorliegen, wenn nach Titulierung eines Unterhaltsanspruchs wesentliche Veränderungen eingetreten sind und eine Pflicht zur ungefragten Information besteht. Grundsätzlich ist auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

Darüber hinaus besteht aber auch eine Pflicht zur ungefragten Information nach Treu und Glauben, die allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Voraussetzung dafür ist, dass der Unterhaltspflichtige aufgrund der Gegebenheiten keine Veranlassung hat, sich durch ein Auskunftsbegehren über die veränderten Einkommensverhältnisse zu vergewissern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte zu einer Zeit erwerbstätig wird, in der gar nicht mit einer Erwerbstätigkeit zu rechnen ist. Dies betrifft gerade den Fall überobligatorischer Einkünfte.

Besteht dagegen eine Pflicht zur Erwerbstätigkeit und verhält sich der Unterhaltsberechtigte dementsprechend, besteht nach der Rechtsprechung keine Pflicht zur ungefragten Information. Hier greift vielmehr § 1605 BGB durch, wonach nur auf Verlagen Auskunft zu erteilen ist. Bei Unterhaltsvereinbarungen erhöht sich allerdings die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Teils, so dass auch hier in größerem Umfang ungefragt Umstände zu offenbaren sind.

Münster, 31.01.2008

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht