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Neue Rechtsprechung zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts unter Anwendung der sogenannten „Dreiteilungsmethode“ verfassungswidrig

Seit der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform gilt verstärkt der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung eines jeden Ehegatten. Mit der Unterhaltsrechtsreform sind zudem die Rangverhältnisse neu geordnet worden. Während den minderjährigen Kindern der 1. Rang zugewiesen ist, sind geschiedene und nachfolgende Ehegatten im Rang im Regelfall gleichgestellt. Nicht geändert wurde hingegen die Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sowie die Regelung des Maßes des nachehelich zu gewährenden Unterhalts, der sich gem. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt. Entsprechend wurde von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung herangezogen, ausnahmsweise wurden danach eintretende Veränderungen der Verhältnisse in die Unterhaltsbedarfsbestimmung einbezogen, beispielsweise dann, wenn die Änderungen zum Zeitpunkt der Ehescheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits zu erwarten gewesen waren.

Mit der Unterhaltsrechtsreform hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung geändert. Inzwischen geht dieser davon aus, dass die für die Höhe des Unterhaltsbedarfs maßgeblichen Lebensverhältnisse einer geschiedenen Ehe einer Änderung zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese in der Ehe angelegt waren. Erstmals mit Urteil vom 30.07.2008 hat der Bundesgerichtshof unter Anwendung der sogenannten „Dreiteilungsmethode“ in die Bemessung des Bedarfs des vorangegangenen, geschiedenen Ehegatten die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehepartner mit einbezogen. Der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten wurde zusammen mit den Einkünften des Unterhaltspflichtigen und dessen neuen Ehepartner zusammengefasst und durch drei geteilt. Mittels einer Kontrollrechnung wurde anschließend sichergestellt, dass der geschiedene Ehegatte maximal in der Höhe Unterhalt erhält, die sich ergibt, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte. Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr mit Beschluss vom 25.01.2011 (1 BvR 918/10) entschieden, dass diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verfassungswidrig ist.

In dem zu entscheidenden Fall wurde der Beschwerdeführerin, die 24 Jahre lang mit dem Kläger verheiratet war, zunächst im Wege der Ehescheidung ein nachehelicher Unterhalt in Höhe von 618,00 € monatlich zuerkannt.

Nach erneuter Heirat des geschiedenen Ehemannes setzte das Familiengericht in einem Abänderungsverfahren unter Anwendung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den monatlich zu zahlenden Unterhalt auf 488,00 € monatlich herab, indem es die Einkünfte der neuen Ehefrau im Wege der Dreiteilungsmethode in die Bedarfsberechnung mit einbezog.

Das Oberlandesgericht hielt das Urteil hinsichtlich der Unterhaltsberechnung aufrecht.

Hiergegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde der geschiedenen Ehefrau, die insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit geltend machte.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ersetzt die von dem Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ unter Anwendung der Berechnungsmethode der sogenannten „Dreiteilung“ das Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreite die neue Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletzt die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).

Das Bundsverfassungsgericht führt aus, dass die Rechtsprechung dem klaren Wortlaut des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB zuwider läuft, der die „ehelichen Verhältnisse“ zum Maßstab der Bedarfsbemessung erhoben hat und damit diejenigen Verhältnisse, die in der geschiedenen Ehe bestanden haben oder zumindest mit ihr in Zusammenhang stehen. Ein Bezug zu den „ehelichen Lebensverhältnissen“ lässt sich jedoch nicht mehr bei der Einbeziehung von Veränderungen herstellen, die gerade nicht in der Ehe angelegt sind, sondern – wie Unterhaltspflichten gegenüber einem neuen Ehegatten – scheidungsbedingt sind.

Die geänderte Rechtsprechung ließe sich auch nicht mit dem Ziel der Unterhaltsrechtsreform begründen, das Unterhaltsrecht zu vereinfachen. Sie erleichtere die Unterhaltsberechnung nicht, sondern erweitere sie vielmehr um den Rechenschritt der Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilung, da sie im Rahmen der Kontrollberechnung eine Berechnung des Unterhalts nach der von der Rechtsprechung herkömmlich angewandten Methode unter Berücksichtigung der aufgelösten Ehe vorsieht.

Damit verletze die Entscheidung des Oberlandesgerichts die geschiedene Ehefrau in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Diese Verletzung beruhe auf der die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitenden neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in deren Folge der Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau und damit ihr Unterhaltsanspruch in einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Maße verkürzt worden sind.

Mit dieser Entscheidung ist nunmehr eindeutig festgestellt worden, dass der Bundesgerichtshof mit seiner eigens entwickelten Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen die zulässigen Grenzen der Rechtsfortbildung überschritten hat.

Man wird zukünftig überprüfen müssen, ob bereits im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens zukünftig einzubeziehende Änderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sind. Dies wird man in vielen Fällen ausschließen können.

Münster, 22.02.2011

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht