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Muss für den Elternunterhalt auch Vermögen eingesetzt werden?

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30.08.2006 (Az. XII ZR 98/04) über die Frage entschieden, ob ein Kind für den Unterhalt seiner Eltern notfalls auch sein Vermögen einsetzen muss.

Die Mutter des Beklagten bezog Sozialhilfe, soweit sie die Kosten ihres Aufenthalts in einem Pflege- und Seniorenheim nicht aus eigenem Einkommen decken konnte. Das Sozialamt forderte den Beklagten zur Erstattung der geleisteten Sozialhilfe auf.

Der Beklagte verfügte lediglich über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rund 1.330,00 EUR sowie monatliche Kapitalerträge in Höhe von rund 56,00 EUR. Unstreitig war, dass diese laufenden Einkünfte nach Abzug berufsbedingter Ausgaben den im Rahmen des Elternunterhalts zu belassenden Selbstbehalt von seinerzeit monatlich 1.250,00 EUR (jetzt 1.400,00 EUR) nicht überstiegen und der Beklagte deswegen aus seinen laufenden Einkünften nicht zur Zahlung von Elternunterhalt leistungsfähig war.

Gleichwohl begehrte das Sozialamt von dem Beklagten Unterhalt aus übergegangenem Recht, weil er über ein Vermögen in Höhe von insgesamt 113.400,00 EUR verfügte, das er in Lebensversicherungen, Wertpapieren, Gold und Schmuck sowie auf Girokonten angelegt hatte. Von diesem Geld wollte der 1955 geborene, ledige und kinderlose Beklagte eine angemessene Eigentumswohnung erwerben. Außerdem beabsichtigte er für seine Fahrten zu der 39 km entfernt gelegenen Arbeitsstätte als Ersatz für seinen 10 Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 215.000 km einen neuen Pkw zum Preis von 21.700,00 EUR zu erwerben.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Der Senat des Bundesgerichtshofs hat indes die Revision des Sozialamtes zurückgewiesen. Er ist der Auffassung der Vorinstanz gefolgt, wonach das Vermögen des Beklagten nicht für den Unterhaltsanspruch seiner Mutter einzusetzen und er deswegen zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage ist. Ein Teil des Vermögens wird wegen der notwendigen Fahrten zum Arbeitsplatz in Form der Kosten für einen neuen Pkw für die allgemeine Lebensführung benötigt und steht deswegen für Unterhaltszwecke nicht zur Verfügung. Im Übrigen dient das Vermögen der angemessenen eigenen Altersvorsorge und braucht deswegen nicht für den Elternunterhalt eingesetzt zu werden.

Zwar muss ein Unterhaltspflichtiger im Rahmen des Verwandtenunterhalts grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens einsetzen. Einschränkungen ergeben sich aber daraus, dass nach dem Gesetz auch sonstige Verpflichtungen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Den Vermögensstamm muss der Unterhaltspflichtige deswegen dann nicht verwerten, wenn ihn dies von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde oder die Verwertung mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre. Auch die Verwertung eines angemessenen selbst genutzten Immobilienbesitzes kann regelmäßig nicht gefordert werden.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass dem Unterhaltspflichtigen auch ein weiteres Vermögen zu belassen ist, das er für eine angemessene eigene Altersvorsorge vorgesehen hat. Auf die Art der Anlage kommt es dabei nicht an, weil es dem Unterhaltspflichtigen freisteht, in welcher Weise er Vorsorge für sein Alter trifft. Die Höhe des insoweit zu belassenden Schonvermögens ergibt sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Umfang der neben der gesetzlichen Rentenversicherung unterhaltsrechtlich zuzubilligenden ergänzenden Altersvorsorge. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist der Unterhaltspflichtige im Rahmen des Elternunterhalts berechtigt, neben den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zu 5 % seines Bruttoeinkommens als zusätzliche private Alterversorgung aufzuwenden. Dann sei es auch nur konsequent, ihm ein Vermögen in der Höhe zu belassen, wie er es mit diesen Aufwendungen im Laufe eines Erwerbslebens ansparen könnte. Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof diesen Betrag mit gut 100.000,00 EUR bemessen.

Münster, 02.01.2007

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht