Wirtschafts- und Verbraucherrecht
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Wann ist ein Montagsauto ein Montagsauto?
Für Käufer von Neuwagen ist es ärgerlich, wenn sie bereits kurz nach dem Kauf feststellen müssen, dass sie mit Ihrem Wagen mehr Zeit in der Werkstatt als auf der Autobahn verbringen. Angesichts des hohen Kaufpreises sind sie bestrebt, das „Montagsauto“ (auch gerne „Zitronenauto“ genannt) wieder loszuwerden. Das Recht baut hier jedoch für den Endverbraucher einige Hürden auf.
Hintergrund ist die Europäisierung des deutschen Kaufrechtes. Bis zum Jahre 2001 konnte der Autohändler seine Gewährleistungspflicht auf sechs Monate verkürzen; nach der Europäisierung des Kaufrechtes haftet der Verkäufer beim Neuwagenkauf nunmehr zwei Jahre. Im Gegenzug für diese verlängerte Gewährleistungsfrist hat der Gesetzgeber dem Autoverkäufer das Recht der zweiten Andienung zugesprochen. Der Käufer kann nicht ohne weiteres vom Kaufvertrag zurücktreten. Lediglich bei erheblichen Mängeln und wenn er dem Verkäufer mehrmals die Gelegenheit gegeben hat, die gerügten Mängel zu beseitigen, vermag er sich vom Kaufvertrag zu lösen.
Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur dann vor, wenn es dem Käufer nicht zumutbar ist, weitere Nachbesserungsversuche des Verkäufers zu dulden. Dies soll bei so genannten „Montagsautos“ der Fall sein. Der Käufer muss dem Verkäufer dann nicht unter Nachfristsetzung, die Gelegenheit zur Nacherfüllung bieten. Was macht also ein „Montagsauto“ zum „Montagsauto“?
Der Bundesgerichtshof hat unlängst (Urteil vom 23.01.2013 - VIII ZR 140/12 - ) die Voraussetzungen dafür, wann ein Neufahrzeug als „Montagsauto“ zu qualifizieren ist – wie folgt – zusammengefasst:
„Ein Neufahrzeug ist dann als „Montagsauto“ zu qualifizieren, wenn der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers bei wertender und prognostischer Betrachtung die Befürchtung rechtfertigt, es handle sich um ein Fahrzeug, dass wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln namentlich auf schlechter Verarbeitung beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und dass auch zukünftig nicht über längere Zeit frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird… Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Regelmäßig erforderlich ist …, dass sich innerhalb eines kürzeren Zeitraums eine Vielzahl herstellungsbedingter auch kleinerer – Mängel zeigt, die entweder wiederholt oder erstmals auftreten….“
Diese recht schwammige Definition lässt für den Käufer eines Neufahrzeuges mehr Fragen offen als dass sie sie beantwortet.
Im konkret vom BGH entschiedenen Fall hatte der Käufer dreimal Gelegenheit zur Nachbesserung hinsichtlich behaupteter, 33 gerügter Mängel vorgetragen. Den Bundesrichtern reichte dies jedoch nicht aus, um den Wagen als „Montagsauto“ zu qualifizieren. Im Wesentlichen habe es sich bei den gerügten Mängeln um Probleme im Bagatellbereich mit lediglich „Lästigkeitscharakter“ gehandelt. Gerügt worden waren etwa eine mangelhafte Chromkante der Motorradbühne, eine matte Lackierung auf dem rechten Seitenteil, ein nicht bündiger Abschluss der Abdeckkappen über den Verbindungsscheiben im Fahrzeuginneren und fehlenden Abdeckkappenstifte, ein nichtbündiges Anliegen der vorderen Radlaufverkleidung sowie ein mangelhaftes Verdunklungsrollo am vorderen Seitenfenster.
Da nunmehr rechtskräftig feststeht, dass es sich bei dem Fahrzeug nicht um ein „Montagsauto“ handelt, geht der Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag ins Leere. Er muss den Wagen behalten und bezahlen.
Wer also meint, ihm sei eine „Zitrone“ verkauft worden, tut gut daran, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, sich anwaltlich beraten zu lassen.
Münster, 14.05.2013