Verwaltungsrecht

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Videoüberwachung verletzt Versammlungsfreiheit

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit einem Beschluss vom 23.11.2010 eine Entscheidung des VG Münster bestätigt, dass die Rechtswidrigkeit von Videoaufnahmen der Polizei während einer Anti-AKW-Demonstration in Münster festgestellt hatte.

Polizei und Atomkraftgegner stritten vor Gericht darum, ob das Filmen auch dann einen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit darstellt, wenn die Demonstration zwar gefilmt wird, die Aufnahmen aber nicht gespeichert werden. Die Atomkraftgegner hatten sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung 1985 bezogen. Darin heißt es u. a. „Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.“ Dieser Einschüchterungseffekt sei unabhängig davon gegeben, ob die Aufnahmen gespeichert werden – was ein Demonstrant ohnehin nicht feststellen könne.

Das OVG folgte dieser Argumentation. Für diesen Eingriff in die Versammlungsfreiheit gibt es keine Rechtsgrundlage. Das in NRW als Landesrecht fortgeltende Versammlungsgesetz des Bundes erlaubt Videoaufnahmen nur dann, wenn etwa Gewalttätigkeiten stattfinden.

Daraus kann indessen nicht die Konsequenz gezogen werden, hier habe der Gesetzgeber schlicht vergessen, seine Hausaufgaben zu machen. Das musste der Gesetzgeber des Landes Bayern beim Bundesverfassungsgericht erleben. Er hatte umfangreiche Ermächtigungen für die Polizei geschaffen, um Demos filmen zu können. Geblieben ist davon vor dem BVerfG wenig: Die entsprechende Regelung ist nach dem Beschluss des BVerfG vom 17.02.2009 „deshalb auf Fälle zu beschränken, in denen Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich sind."

Der Unterzeichner hat über das Verfahren und seine Hintergründe in dem u. a. von Humanistischer Union und Republikanischen Anwälteverein herausgegebenen Grundrechtereport 2010 berichtet.

Beschluss des Oberwerwaltungsgerichts für das Land NRW vom 23.11.2010

Münster, 29.11.2010

Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht