Versicherungsrecht

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Luxemburg stärkt Rechte der Lebensversicherungskunden

 

Das Rücktrittsrecht eines Lebensversicherungskunden bei Altverträgen erlischt nicht nach einem Jahr. Der Europäische Gerichtshof verlangt von dem Versicherer, dass er seine Kunden rechtzeitig über ihre Rechte informiert. Rechte, welche der Verbraucher nicht kennt, kann er auch nicht verlieren.

 

Versicherte können ihren Lebensversicherungsvertrag auch noch Jahre nach dem Abschluss auflösen, wenn sie fehlerhaft oder gar nicht über ihre Rechte aufgeklärt wurden. So entschieden die Luxemburger Richter des Europäischen Gerichtshofes mit Urteil vom 19.12.2013 (- C – 209/12 -). Eine einjährige Frist zur Auflösung des Vertrages, wie es das deutsche Recht bis 2008 vorsah, entspricht nicht den Vorgaben des Europäischen Rechtes. Die nationalen Oberlandesgerichte hatten sich am Wortlaut der deutschen Rechtsvorschriften geklammert und regelmäßig Klagen von Lebensversicherten zurückgewiesen.

 

Betroffen sind Altfälle, welche nach dem sog. Policenmodell abgeschlossen wurden. Bei dem Policenmodell wurden dem Kunden erst nach Unterschrift unter den Vertrag die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen zusammen mit der Police übersandt. Bis zur Übersendung dieser Unterlagen war der Vertrag schwebend unwirksam. Der Vertrag kam erst dann zu Stande, wenn der Versicherer nicht binnen 14 Tagen, ab Ende 2004 binnen 30 Tagen nach Erhalt der Unterlagen, dem Vertragsabschluss widersprach. Dieses Widerspruchsrecht sollte jedoch – so das alte deutsche Recht – spätestens nach einem Jahr entfallen – und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden war oder nicht.

 

Die Luxemburger Richter meinen jedoch, dass diese alte deutsche Regelung in diesem Punkt gegen EU-Recht verstößt. Es könne nicht sein, dass der Kunde sein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie verlöre, selbst wenn er über dieses Recht gar nicht aufgeklärt worden sei. Argument der Richter: Kennt der Verbraucher sein Recht nicht, so kann er es auch nicht verlieren. Ein Recht, welches man nicht kennt, kann man weder ausüben noch verlieren.

 

Nachdem Luxemburg diese Frage nunmehr geklärt hat, ist wieder Karlsruhe am Zuge. Die Richter des Bundesgerichtshofs müssen nunmehr entscheiden, wie Altfälle nach dem Policenmodel rückabzuwickeln sind und ob ggf. nicht zumindest teilweise Rückzahlungsansprüche bereits verjährt sind.

 

Der Clou an den Rückzahlungsansprüchen ist, dass es hier im Gegensatz zu einer normalen Kündigung des Lebensversicherungsvertrages nicht allein auf den sog. Rückkaufswert ankommt. Beim Rückkaufswert erhält der Kunde allenfalls die gezahlten Sparanteile abzgl. der Abschluss- und Verwaltungskosten zurück. Wird der Vertrag jedoch wegen eines Widerspruches rückabgewickelt, geht es um die Rückzahlung der Prämien insgesamt, also sowohl Spar- als auch Risikoanteil.

 

Für Lebensversicherungskunden lohnt es sich allemal, überprüfen zu lassen, ob sie sich nicht frühzeitig von alten Lebensversicherungen mit Gewinn trennen können.

 

Münster, 21.01.2014

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht