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Verdachtsunabhängige Videokontrolle: Chance für Geschwindigkeitssünder?

In der verdachtsunabhängigen Videoaufzeichnung von Geschwindigkeitssündern liegt nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.08.2009 (2 BvR 941/08) ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Fahrers. Dieser Rechtsverstoß kann im Einzelfall zu einem Beweisverwertungsverbot im Ordnungswidrigkeitenverfahren führen. Es darf dann weder ein Bußgeld noch Punkte in Flensburg vergeben werden.

In verdachtsunabhängigen Videoaufzeichnungen liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches verfassungsrechtlich geschützt ist. Das Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Durch die Videoaufzeichnung werden die Geschwindigkeitsüberschreitungen technisch fixiert. Sie können später zu Beweiszwecken abgerufen, aufbereitet und ausgewertet werden. Eine Identifizierung des Fahrers sowie des Fahrzeuges ist durch die Behörden beabsichtigt. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist grundsätzlich einer Rechtfertigung zugänglich. Hierzu bedarf es jedoch einer gesetzlichen Grundlage. Das Bundesverfassungsgericht hatte über einen Sachverhalt, welcher sich in Mecklenburg-Vorpommern abspielte, zu befinden. Dort gab es keine gesetzliche Grundlage für die Videoüberwachung, sondern lediglich eine verwaltungsinterne Verwaltungsvorschrift. Bei einer Verwaltungsvorschrift handelt es sich rechtlich gesehen nicht um ein Gesetz. Schon aus diesem formalen Grunde hielt das Bundesverfassungsgericht eine Verurteilung des Fahrers wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung für unzulässig.

Ob und inwieweit ein Verwertungsverbot bei Videoaufzeichnungen zum Zwecke der Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung, anzunehmen ist oder nicht, ist also zunächst gesondert für das jeweilige Landesrecht zu prüfen. Eine scharfe und prognostizierbare Linie der Rechtsprechung hat sich bislang noch nicht herausbilden können. Teilweise wird die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bei bestimmten Messmethoden schon vornherein nicht in Betracht gezogen, namentlich dann, wenn die Geschwindigkeitsmessung selbst zwar verdachtsunabhängig (etwa im Induktionsschleifenverfahren) festgestellt wird, die Videoaufzeichnung zur Identifizierung des Fahrers jedoch erst bei einem konkreten Verdacht durch den Messbeamten ausgelöst wird. Dann handele es sich nicht um eine verdachtsunabhängige Videoaufzeichnung, welche das Persönlichkeitsrecht verletze, sondern um eine berechtigte Maßnahme zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit. Andere Instanzgerichte halten diese Unterscheidung jedoch für eine der Sache nicht angemessene, juristische Spitzfindigkeit. Schließlich erfolge die Geschwindigkeitsmessung verdachtsunabhängig. Diese Gerichte erkennen von daher auf ein Verwertungsverbot.

Die Chancen für Geschwindigkeitssünder, doch noch mit einem blauen Auge davon zu kommen, wenn sie mittels Videoaufzeichnung erwischt wurden, haben sich jedenfalls erhöht.

Münster, 10.02.2010

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht