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Radfahrer kreuzen - Autofahrer auf die Bremse!

Das Gefahrenschild "Radfahrer kreuzen" fordert vom Autofahrer, die Geschwindigkeit auf 50 km/h herabzudrosseln. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, muss er damit rechnen, dass ihn bei einem Unfall ein erhebliches Mitverschulden trifft (OLG Hamm Urteil vom 13.01.2009 - 9 U 70/08 -).

Ein Motorradfahrer befuhr außerorts eine Landstraße. Vor einer größeren Kreuzung befand sich ein untergeordneter Wirtschaftsweg, in dessen Bereich das Gefahrenschild "Radfahrer kreuzen" aufgestellt war. Von diesem Wirtschaftsweg her näherten sich zwei Radfahrer - Eheleute. Sie wollten die Landstraße überqueren, hielten an und stiegen vom Rad. Ohne näher auf den Autoverkehr zu achten betrat der Ehemann dann schiebend die Fahrbahn. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Landstraße betrug 70 km/h. Der Motorradfahrer fuhr ca. 65 km/h. Als er den Radfahrer sah, lenkte er leicht nach links und leitete eine Vollbremsung ein. Dadurch kam er zu Fall, rutschte auf den Radfahrer zu und erfasste ihn. Das Motorrad wurde erheblich beschädigt (ca. 6.000,00 € Sachschaden). Der Radfahrer wurde bei dem Unfall schwer verletzt (Schädelhirntrauma, Schädelbasisbruch, Bruch des Schlüsselbeins).

Die beiden Unfallbeteiligten machten sich wechselseitig für den Unfall verantwortlich.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht sahen das überwiegende Verschulden bei dem Radfahrer und verurteilten ihn zu einer 70%-igen Haftung. Die übrigen 30% musste sich der Motorradfahrer wegen erheblichem Mitverschuldens anrechnen lassen.

Der Radfahrer habe ganz überwiegend den Unfall verschuldet. Er habe die Vorfahrt des Motorradfahrers zu beachten gehabt. Bei einem gewissenhaften Blick nach links hätte er den Motorradfahrer rechtzeitig erkennen und stehen bleiben können. Der Unfall hätte dann vermieden werden können.

Gleichwohl habe sich der Motorradfahrer ein erhebliches Mitverschulden anzurechnen. Das Gefahrenschild "Radfahrer kreuzen" hatte ihn gewarnt. Er durfte die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nicht ausnutzen. Selbst die Geschwindigkeit von 65 km/h war zu schnell. Das Landgericht war sogar der Überzeugung gewesen, er hätte höchstens 45 km/h fahren dürfen. Nach den Ausführungen des angerufenen Sachverständigen hätte der Unfall nämlich bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h vermieden werden können. Diese Anforderung an die Pflichten des Motorradfahrers hielt das Oberlandesgericht Hamm für überspannt. Nach Überzeugung des Oberlandesgerichtes ist im Bereich eines Gefahrenschildes "Radfahrer kreuzen" eine Fahrgeschwindigkeit zu wählen, wie sie bei innerörtlichen Verhältnissen, bei denen es auch zu unerwarteten Querverkehr durch Fußgänger kommen kann, geboten wäre (50 km/h).

Eine 100%-ige Schadensregulierung konnte der Motorradfahrer wegen seines Mitverschuldens nicht erreichen.

Münster, 29.09.2009

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht