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Unangeschnallt in die Mithaftung?

Nicht immer muss sich ein Geschädigter eine Haftungskürzung wegen Mitverschuldens gefallen lassen, wenn er den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat. So entschied der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.02.2012 (- VI ZR 10/11 -).

Die Geschädigte verlor an einem frühen Morgen auf der Autobahn die Kontrolle über ihr Fahrzeug, geriet ins Schleudern und stieß gegen die Mittelplanke. Das Fahrzeug kam unbeleuchtet auf der linken Fahrspur zum Stehen. Ein weiterer Fahrer fuhr ungebremst mit einer Geschwindigkeit von ca. 130 km/h auf das zum Stehen gekommene Fahrzeug auf. Hierbei erlitt die Geschädigte erhebliche Verletzungen. Sie verlangte Ersatz des entstandenen Sach- und Personenschadens unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 1/3.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe sprach der Geschädigten jedoch nur eine geringere Haftungsquote zu. Zum Zeitpunkt, als der zweite Wagen in den ihren gefahren sei, sei sie nicht mehr angegurtet gewesen. Deshalb müsse sie eine höhere Haftungskürzung wegen eines erheblichen Mitverschuldens hinnehmen.

Dies sahen die Bundesrichter anders. Das Gesetz sieht eine Anschnallpflicht nur „während der Fahrt“ vor. Zu dem Zeitpunkt der Kollision stand aber bereits der Wagen der Geschädigten, befand sich also gerade nicht „in Fahrt“. Die Geschädigte war nicht nur berechtigt sich abzuschnallen, sondern geradezu verpflichtet, dies zu tun. Die Straßenverkehrsordnung fordert nämlich von dem Geschädigten, die Unfallstelle zu sichern. Es war der Geschädigten also geboten, den Gurt zu lösen, ihr Fahrzeug zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.

Münster, 15.05.2012

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt