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Versicherungsrecht
Keine Kohle, keinen Wagen - keinen Schaden?

 

Auch bei einer Regulierungsdauer von fast einem Jahr muss der Kfz-Haftpflichtversicherer eine Nutzungsausfall-Entschädigung in voller Höhe für den gesamten Zeitraum zahlen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2008 – I – 1B24/06 -).

 

Bei einem Verkehrsunfall erlitt der 15 Jahre alte VW-Passat einer Hausfrau einen Totalschaden.

 

Der Anwalt der Geschädigten machte den gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer bereits in der Schadensmeldung darauf aufmerksam, dass seine Mandantin als Hausfrau kein Einkommen habe und daher die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges nicht vorfinanzieren könne. Er forderte den Versicherer dazu auf, entweder einen angemessenen Kostenvorschuss zu zahlen oder ein kostengünstiges Darlehen zur Verfügung bereit zu stellen. Hierauf ging der Versicherer nicht ein. Obwohl die Verschuldensfrage eindeutig war, benötigte der Versicherer fast ein Jahr, um den Schaden zu regulieren. Die Geschädigte forderte Nutzungsentschädigung für die 312 Tage, an denen sie auf ein Fahrzeug verzichten musste. Angesichts des hohen Alters ihres Fahrzeugs sei sie auch bereit, hinsichtlich der Nutzungsentschädigung einen um zwei Fahrzeuggruppen reduzierten Tabellenwert hinzunehmen. Doch auch dies war dem Kfz-Haftpflichtversicherer schon zu viel. Für ein 15 Jahre altes Fahrzeug müsse kein Nutzungsausfall gezahlt werden. Ersatzfähig seien allein die Vorhaltekosten. An Nutzungsentschädigung standen rund 30,00 € pro Tag im Raum. Die Vorhaltekosten bewegten sich bei rund 3,00 € pro Tag. Die Differenz war also erheblich.

 

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht wies den Versicherer in seine Schranken. Er müsse der Hausfrau die Nutzungsentschädigung für die gesamte Regulierungszeit zahlen. Grundsätzlich müsse der Versicherer zwar nur für einen Nutzungsausfall während der üblichen Wiederbeschaffungszeit für das Kfz gerade stehen. Hier sei es aber so, dass der Versicherer gerade durch die überlange Regulierungszeit selbst die Ursache für den langen Nutzungsausfall gesetzt habe. Dies könne nicht zu Lasten der Geschädigten gehen. Es könne den Versicherer auch nicht entlasten, dass die Hausfrau keine Mittel für den Ankauf eines Ersatzfahrzeuges hatte. Dies gehöre zum Risikobereich des Schädigers. Es sei nicht ungewöhnlich, auf einen Geschädigten zu treffen, der die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel nicht vorstrecken könne. Hierauf sei der Versicherer sogar bereits bei der Schadensanzeige hingewiesen worden. Der Versicherer habe es selbst in der Hand gehabt, durch einen Kostenvorschuss oder die Gewährung eines Darlehens den hohen Nutzungsausfall zu vermeiden. Dass er dies nicht getan habe, müsse zu seinen Lasten gehen. Dass das Fahrzeug 15 Jahre alt sei, führe nicht dazu, dass allein die Vorhaltekosten (rund 3,00 € pro Tag) und nicht der Nutzungsausfall (rund 30,00 € pro Tag) zu zahlen sei. Das Alter eines verkehrstüchtigen Kraftfahrzeugs beeinflusse nicht den Gebrauchtsvorteil, den ein Geschädigter aus der Nutzung seines Fahrzeugs ziehen könne.

 

Im Ergebnis musste der Kfz-Haftpflichtversicherer den Nutzungsausfall für die gesamten 312 Tage der Schadensregulierung ersetzen.

 

Münster, 18.11.2008

Burkard Lensing, LL.M., Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht