Hochschulrecht / Studienplatzklage
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Studienplatzklage
Überlange Wartezeit für Medizinplatz verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit dem Numerus Clausus erneut beschäftigen. So will es das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Das Verwaltungsgericht, bundesweit zuständig für Verfahren gegen die “Hochschulstart”, die frühere ZVS, setzte am 26.04.2012 drei Gerichtsverfahren aus, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, Az. 6K 3656/11 u.a..

Damit ist 40 Jahre nach den ersten Numerus Clausus-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wieder das Bundesverfassungsgericht gefragt. Vermutlich muss das Verteilungsverfahren geändert werden. Eines der drei Verfahren wird von Rechtsanwältin Mechtild Düsing und Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler geführt. Vor 40 Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei einem Studienplatzmangel die Verteilung der Studienplätze nach gerechten Kriterien zu erfolgen hat: jeder Abiturient muss eine Chance haben, eine bloße Orientierung an der Note darf es nicht geben.

Das Verwaltungsgericht hält die in einem Staatsvertrag zwischen allen Bundesländern aufgestellten Regeln für die Vergabe von Studienplätzen für verfassungswidrig. 20 Prozent der Studienplätze werden allein nach der Abiturnote verteilt. Bei den meisten Hochschulen braucht man eine 1,1 oder besser. Wer nur eine 1,7 hat, ist hier ohne Chance. Im Auswahlverfahren der Hochschulen, über das weitere 60 % der Plätze verteilt werden, geht es auch maßgeblich nach der Note. Auch hier kommt man ohne eine “1" vor dem Komma kaum zu einem Studienplatz.

Das Verwaltungsgericht wies auf die zweifelhafte Aussagekraft der Noten hin: Abiturienten aus Thüringen haben i.d.R. ein um 0,4 Punkte besseres Abitur als Abiturienten aus Niedersachsen. Einen sachlichen Grund kann es dafür kaum geben. Eine Gewichtung der Abiturnoten je nach Bundesland gibt es beim Auswahlverfahren der Hochschulen aber nicht. Für die mehr als 75 % der Abiturienten, die weder in der Abiturbestenquote, noch im Auswahlverfahren der Hochschulen eine Chance haben, bleibt nur die Hoffnung auf eine Zulassung über die Wartezeit.

Doch die Wartezeit liegt inzwischen bei 13 bis 14 Semestern (bei Medizin) und damit über der Dauer eines Studiums. Solche Wartezeiten sind nicht geeignet eine reale Zulassungschance zu eröffnen. Und mehr noch: die Wartezeit wird weiter steigen, da die Zahl der Abiturienten weiter steigen wird. Erst 2020 wird das Verhältnis von Bewerbern und Studienplätzen wieder den Stand des Jahres 2008 haben. “Wer auf eine Zulassung nach der Wartezeit hofft, wird häufig enttäuscht: je länger man wartet, desto höher ist die persönliche Wartezeit - gleichzeitig steigt aber auch die Wartezeit, die man für eine Zulassung braucht”, erläutert Mechtild Düsing.

Deshalb ist aus Sicht der münsterschen NC-Spezialisten der Gesetzgeber gefordert: “Der Bund hat seit der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Hochschulzulassung. Davon hat er aber noch nie Gebrauch gemacht”, so Wilhelm Achelpöhler. Wer nicht sechs oder sieben Jahre auf einen Studienplatz warten will, dem bleibt entweder der Weg ins Ausland, oder die Klage auf einen Studienplatz.

 

Auch die Wartezeiten in Zahnmedizin und Tiermedizin sind nach unserer Meinung nicht mehr verfassungsgemäß. Um die Unhaltbarkeit des Zustandes zu demonstrieren und den Druck auf den Gesetzgeber, mehr Studienplätze zu schaffen, zu erhöhen, sollten massenhaft Klagen gegen das ungerechte Verteilungssystem eingereicht werden.

Beschluss des VG Gelsenkirchen, Az. 6 K 3656/11

Münster, 08.05.2012

Mechtild Düsing, Rechtsanwältin und Notarin

Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt