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(unwiderrufliche) Freistellung: Höhe der Vergütung zählt für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes

Im Rahmen von mehr oder weniger freiwillig geschlossenen Aufhebungsverträgen oder bei gerichtlichen Vergleichen in Kündigungsschutzrechtsstreiten werden häufig lange Zeiten der Freistellung vereinbart. Dies gilt insbesondere dann, wenn aus Arbeitgebersicht Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern beendet werden sollen, die schwierig zu kündigen sind (z. B. aktuelle oder ehemalige Betriebsratsmitglieder, schwerbehinderte Menschen oder tariflich ordentlich nicht mehr kündbare Arbeitnehmer). Gerade in diesen Fällen einigt man sich häufig auf lange Freistellungszeiten, in denen der Betroffene eine neue Arbeit finden kann oder die ihm den Übergang in die Rente erleichtern. Die Bundesagentur für Arbeit hat in vielen Fällen versucht, die Zahlung des Entgeltes während der Freistellung nicht für die Bemessung der Höhe des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen. Sie hat damit argumentiert, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis etwas anderes sei als der Arbeitsvertrag und mit dem Ende der tatsächlichen Beschäftigung endet. Diese Praxis führte häufig zur Zahlung eines niedrigeren Arbeitslosengeldes.

Maßgeblich für die Höhe des Arbeitslosengeldes ist das Bemessungsentgelt, welches der Arbeitnehmer im letzten Jahr (Bemessungsrahmen) vor Zahlung des Arbeitslosengeldes erhalten hat. Der Bemessungsrahmen wird auf 2 Jahre erweitert, wenn im letzten Jahr vor Beginn der Arbeitslosengeldzahlung keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten sind. Sind in den letzten 2 Jahren vor Beginn der Zahlung des Arbeitslosengeldes keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitslosengeld enthalten, wird das Arbeitslosengeld fiktiv bemessen. Die fiktive Bemessung führt häufig zu einem niedrigeren Arbeitslosengeld. Des Weiteren wurden eventuelle Vergütungserhöhungen im Zeitraum der Freistellung, z. B. aufgrund tariflicher Entgelterhöhungen, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt.

Die Praxis der Agentur für Arbeit war also häufig für die versicherten Arbeitnehmer von Nachteil, weil dadurch ein geringeres Arbeitslosengeld gezahlt wurde. Dieser Praxis hat das Bundessozialgericht nunmehr einen Riegel vorgeschoben. In einer Entscheidung vom 30.08.2018 (Az.: B 11 AL 15/17 R) hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt einzubeziehen ist. Mit dieser Entscheidung dürften Auseinandersetzungen über die Höhe des Arbeitslosengeldes bei langfristigen Freistellungen der Vergangenheit angehören.

Münster, 16.10.2018

Klaus Kettner, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht